20. Jahrhundert / III., Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.


Schlußakkord in Moll

Einige Wochen des Lagerlebens waren vergangen und des Suchens, Fragens und Schreibens nach den engsten Verwandten, Freunden und Nachbarn war kein Ende. Endlich trafen die ersten Briefe aus den Vereinigten Staaten ein, familiäre Freudensbotschaften und Trauernachrichten, aber auch die Ankündigung, daß Hilfe vorbereitet werde.

Im Jahre 1946 bewiesen die Amerika-Gottscheer, daß der in Jahrhunderten gewachsene Geist der Nachbarschaftshilfe in den Steinwüsten der Millionenstädte nicht erloschen war. Nach umfangreichen Vorbereitungen wurde 1946 das "Gottscheer-Hilfswerk" mit dem Ziel ins Leben gerufen, den schwer geprüften Landsleuten in Europa so rasch und so umfangreich wie möglich beizustehen. Über das Zustandekommen der Hilfsorganisation berichtet das Festbuch anläßlich ihres 25 jährigen Bestehens das Folgende:

"Bei den Hauptversammlungen der Gottscheer Vereine in Ridgewood wurden bereits im Januar 1945 provisorische Komitees erstellt, die sich mit dem Problem einer Hilfsaktion befassen sollten. Das Ende des Krieges, mit seinen chaotischen und grausamen Folgen für unsere Landsleute in Europa, drängte zur Tat. Um dem an den Folgen einer tragischen Politik der Kriegsmächte, im Elend gestrandeten Gottscheer Völklein zu helfen, war eine großzügige und koordinierte Hilfsaktion notwendig. Da die Satzungen der bestehenden Gottscheer Vereine für ein solches Unternehmen nicht geeignet waren, wurde am 23. Mal 1945 eine Versammlung ins Gottscheer Klubhaus einberufen, an welcher sich folgende Vereine beteiligten:

- Gottscheer Kranken-Unterstützungsverein
- Österreichischer Männer-Kranken-Unterstützungs-Verein
- Gottscheer Central Holding Company
- Gottscheer Männerchor
- Gottscheer Damenchor
- Deutsch-Gottscheer Gesang-Verein
- Gottscheer Vereinigung.

Später traten noch der Gottscheer Kranken-Unterstützungs-Verein von New York, der Gottscheer Kegelklub und der Fisch- und Jagdklub bei, und nach seiner Gründung im jähre 1951 auch der Fußballklub Blau-Weiß Gottschee.

Aus deren Reihen wurden dann 19 Vertreter als provisorischer Beamtenstab für das Hilfswerk erwählt. Sogleich wurde mit Geld- und Kleidersammlungen begonnen. Leider gab es noch keinen Postverkehr nach Europa, und außerdem waren Sendungen an Privatpersonen oder Gruppen nicht erlaubt. Nur kirchlichen Organisationen war es gestattet, Medikamente an Lazarette und Flüchtlingslager zu senden.

Im März 1946 schloß sich das Gottscheer Hilfswerk der "Katholischen Kriegshilfe Konferenz' (N. C. W. C.) an und steuerte 6000 Dollar bei, mit der Erwartung, daß die notleidenden Gottscheer in Europa wenigstens teilweise bei der Verteilung in den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden.

Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten gelang dann am 15. April 1946 endlich die gesetzliche Eintragung des Gottscheer Hilfswerkes (Gottscheer Relief Association, Inc.). Zu betonen wäre hierzu, daß damit das Gottscheer Hilfswerk als erste Organisation in Amerika befugt war, für die eigenen Landsleute zu arbeiten. Jetzt lief die Arbeit mit großem Schwung an. Aus jeder Ortschaft wurde ein Vertrauensmann beauftragt, die Anschriften der Landsleute einzubringen und in kurzer Zeit wurden mehr als 2000 Gottscheer Familien erfaßt. Die Relief News, nach Bedarf erscheinend, sorgten laufend für die nötige Aufklärung unter den Landsleuten, und die darin enthaltene Spalte "Verwandte und Freunde gesucht", stellte für Hunderte die seit Jahren unterbrochene Verbindung wieder her. Durch die enge Verbindung zum N. C. W. C. konnten wichtige Informationen eingeholt und veröffentlicht werden. Ein Appell im Gottscheer Dialekt wurde zwei Monate lang, eine halbe Stunde wöchentlich, über den Sender WWRL ausgestrahlt. Korrespondenzen, Drucksachen, Radiosendungen die vielen Reisen, besonders späterhin Transportkosten usw., wurden von den betreffenden Amtierenden aus privaten Geldern bestritten und alle gesetzlichen und sonstigen Arbeiten vollkommen kostenlos erledigt.

Als dann die noch heute bestehende Hilfsorganisation "Care" entstand, wurde sofort Verbindung aufgenommen und bald darauf wurden die ersten 1000 Care-Pakete zum Preis von 15.000 Dollar abgeschickt. Zu dieser Sendung steuerte auch die Cleveland-Gruppe 5000 Dollar bei. In den nächsten Jahren folgten dann noch weitere 3000 Care-Pakete. Tonnen von Kleidern sowie Milch- und Eierpulver.

Zunehmend wurde es schwieriger, die finanziellen Mittel aufzutreiben. Wohl deckten die Spenden im ersten Jahr alle Ausgaben mit einem Überschuß, auch die oben angeführten landsmännischen Vereine stellten zwei Jahre alle Einnahmen ihrer Vereinsveranstaltungen dem Hilfswerk zur Verfügung, jedoch mußte für neue Einnahmsquellen gesorgt werden, sollte die Hilfsaktion nicht ins Stocken geraten. So wurde am 29. Juni 1947 das erste Picknick und Wohltätigkeitsfest in Franklin Square abgehalten, welches nicht nur ein ausschlaggebender finanzieller Erfolg war, sondern das größte aller Feste der Gottscheer wurde. Niemand ahnte damals, daß dieses Picknick fortan der Treffpunkt der Gottscheer aus aller Welt sein sollte. Nach 25jähriger ununterbrochener Folge ist dieses Fest mit seinen großen und kleinen Begebenheiten und Aktivitäten zum festen Bestandteil der Volkstradition geworden.

Am 26. Oktober wurde das Gottscheer Gedenkbuch herausgegeben. Außer dem finanziellen Beitrag, den dieses Buch damals leistete, wird es allen Verantwortlichen und Mitarbeitern immer zur Ehre gereichen, daß sie mit dieser Publikation ein historisches Werk für die nachfolgende Generation geschaffen haben.

In diesen Monaten erreichte die Sammel- und Hilfsaktivität ihren Höhepunkt und die Sendungen an die bedürftigen Landsleute gingen regelmäßig nach Europa. Hunderte von freiwilligen Mitarbeitern zählte damals das Hilfswerk; alle steuerten Zeit und Geld bei; die Opferbereitschaft kannte keine Unterschiede; es galt alles nur den in Not und Elend befindlichen Landsleuten. Die Verteilung überließ man vertrauensvoll den in den Nachkriegsjahren in Österreich und Deutschland organisierten Hilfsvereinen und Vertrauensleuten. Die Zukunft unserer Heimatlosen in Europa war in eine Wolke der Trostlosigkeit und Verzweiflung gehüllt, notdürftig in Lagern untergebracht, teilweise zur Untätigkeit verdammt und auf fremde Hilfe angewiesen, oder als Land- oder Hilfsarbeiter um den Lebensunterhalt der Familie kämpfend. Auf die Dauer waren diese Zustände nicht tragbar. Wegen dem nicht endenden Zustrom von Flüchtlingen war auf eine Hilfe von staatlicher Seite in Deutschland und Österreich zur Seßhaftmachung der Gottscheer Flüchtlinge damals nicht zu rechnen.

Der einheimischen Bevölkerung der österreichischen Länder aber sei an dieser Stelle nochmals herzlichst gedankt.

Das damals nicht reichlich vorhandene brüderlich geteilte Brot
hat zahllose unserer Flüchtlinge vom Hungertode bewahrt. Einen Ausweg aus dieser Notlage zu finden, war lebenswichtig. Seit Jahrhunderten waren es die
Gottscheer gewohnt, sich das Brot in aller Welt zu verdienen, also mußte wieder eine Auswanderung in Betracht gezogen werden. Auch eine Einwanderung in die USA war damals nicht möglich, so wurden andere Möglichkeiten erwogen, wie Südamerika oder Kanada. Die Verhandlungen mit dem Vizekonsul in Venezuela ergaben kein befriedigendes Resultat. Längere Verhandlungen wurden mit kanadischen Stellen geführt, wo sich wohl eine Möglichkeit der Einzeleinwanderung, aber nicht die einer geschlossenen Ansiedlung ergab.

In der Zwischenzeit bewilligten die USA die Einwanderungsquote für Deutschland und Österreich für zwei Jahre. Nach vielen Verhandlungen und Überwindung starker Opposition wurde erwirkt, daß die Hälfte dieser Quoten für Volksdeutsche erlaubt wurde. Auf diese Weise sollten in diesen zwei Jahren 23.000 Volksdeutsche Flüchtlinge zur Einwanderung zugelassen sein. Laut Schätzungen der kirchlichen Organisationen gab es damals in Europa mehr als
11 Millionen Volksdeutsche Flüchtlinge. Das Gottscheer Hilfswerk, das in dieser Angelegenheit schon viel vorgearbeitet hatte, war bereits im Besitz einer Liste mit 11.000 Namen von Gottscheern, die von unseren Vertretern in den verschiedenen Lagern für eine eventuelle Auswanderung erfaßt worden waren. Durch die Verbindung mit dem N. C. W. C., der damalige Präsident des Gottscheer Hilfswerkes Adolf Schauer war persönlich Mitglied dieser Organisation, und durch unzählige Vorsprachen und Verhandlungen dieses Vertreters, war es möglich, sofort mit der Arbeit für unsere Einwanderer zu beginnen.

Das zur gleichen Zeit laufende "Displaced Persons-Gesetz", worin jedoch keine Volksdeutschen einbegriffen waren, wirkte sich leider sehr störend auf die Bearbeitung der Einwanderungsgesuche bei den betreffenden Behörden aus. So kam es, daß nach Ablauf der zwei Jahre von der bewilligten Zahl nur 10.400 Volksdeutsche einwanderten, darunter noch viele Unberechtigte. Immerhin waren unter diesen Einwanderern auch 2000 Gottscheer, also beachtliche 20 Prozent anstatt ein Zehntel Prozent des gesamten Flüchtlingsverhältnisses. Leider mußten damals viele unserer Landsleute, die bereits in Salzburg auf ein Visum warteten, enttäuscht wieder umkehren.

Erst als am 16. Juni 1950 Präsident Truman ein Gesetz unterzeichnete, welches die einwanderungsunterschiede (Discrimination) abschaffte, kam wieder Leben in die Volksdeutsche Einwanderung. Bei den nun folgenden Konferenzen der N. C. W. C. und D. P. C. (Displaced Persons Commission) wurde aber das Problem der Volksdeutschen immer zuletzt behandelt. Unter diesem Gesetz benötigte jeder Einwanderer eine Arbeits- und Wohnungszusicherung (Assurance), die wiederum in großzügiger Weise und Zahl von den Gottscheer Unternehmern hier gestellt wurden. Es war dies keine leichte Angelegenheit, denn die Wohnungen waren damals knapp und die finanziellen Mittel bemessen, und außerdem war sich niemand darüber klar, in welchem Maße der Zusicherungsgeber im Notfalle zur Verantwortung gezogen werden könnte. Bei einer Konferenz in Bellville, III., versprach auch Father Zurin von Missouri Zusicherungen für 50 Gottscheer Familien. Zwei Monate später fand in Milwaukee eine zweitägige Konferenz statt, bei der Bischof Swanstrom vor den D. P. C. und N. C. W. C. - Vertretern sehr stark für das Problem der Volksdeutschen eintrat. Dies belebte die Sache der Einwanderung wieder. Trotz der Schwierigkeiten, genügend Arbeitsplätze und Wohnungen zu beschaffen - unsere Landsleute gingen nur ungern auf "Farmen" - ging einigermaßen alles glatt..."

Die vorstehenden Ausführungen vermitteln uns nicht nur die Gründungsgeschichte des Hilfswerks, sondern auch ein knappes Bild des Lebens der Gottscheer in New York. Wir erfahren vor allem, daß sie über eine ganze Reihe von Organisationen
verfügten mit denen wir uns noch beschäftigen werden. Zunächst bedürfen jedoch zwei Punkte aus dem obigen Zitat einer Erläuterung:

Die elftausend, von der "Relief Association" ermittelten, hilfsbedürftigen Gottscheer sind nicht gleichzusetzen mit den 1941 von der EWZ durchleuchteten Umsiedungsberechtigten. Natürlich handelt es sich bei dieser Zahl hauptsächlich um Flüchtlinge aus der Untersteiermark, jedoch befanden sich darunter auch Landsleute die unter Umständen bereits Jahrzehnte vorher nach Österreich ausgewandert und nun durch den Kriegsausgang in materielle Not geraten waren.

Hingegen sind andererseits Flüchtlinge aus irgendwelchen Gründen nicht erfaßt worden. Ferner verdient, festgehalten zu werden, daß die Amerika-Gottscheer nicht nur über ihr Hilfswerk, sondern auch privat noch Unmengen von Paketen nach Europa sandten. Es dürfte schwer sein, in Österreich und Deutschland einen damals bereits erwachsenen Gottscheer zu finden, der dieser großartigen menschlichen Leistung nicht teilhaftig geworden wäre.

Eine ergiebige Geldquelle wurde dem "Gottschee-Hilfswerk" mit einer ergreifenden Dokumentation der Nächstenliebe erschlossen, dem "Gedenkbuch 1330 - 1947". Unter der redaktionellen Leitung des Rechtsanwalts und Notars John Kikel erarbeitete ein Ausschuß binnen kürzester Zeit ein reich bebildertes Buch mit geschichtlichen Ausführungen über die einzelnen Gottscheer Dörfer und Gemeinden, wie sie bis 1933 bestanden. Sinn und Zweck dieses in der Gottscheer Literatur einmaligen Werkes waren jedoch Inserate unterschiedlicher Größe, für welche die Auftraggeber erhebliche Beträge aufwandten. Die weiteren Spender sind unter Angabe ihrer Namen und Herkunftsorte, samt Hausnummer, aufgeführt. Die meisten von ihnen waren schon jahrzehntelang in den USA ansässig. Rund 2300 Namen finden wir dort.

Es wäre ein unverzeihliches Versäumnis in den Augen der Empfänger von Liebesgabensendungen, würde man die Namen der Männer und Frauen aus dem Gottscheerland, die das "Gottschee-Hilfswerk" gemeinsam ins Leben gerufen haben verschweigen. Neben ihren Namen sollen auch die Herkunftsorte stehen, denn daheim war es alter Brauch, wenn zwei einander fremde Landsleute sich trafen, lautete die erste Frage:

"Won bu sheit
ar ?" (Von wo seid Ihr?)

Dem Gründungsausschuß gehörten laut Festbuch von 1971 am 23. Mai 1945 die folgenden Persönlichkeiten an:

- Frank Deutschmann aus Suchen bei Nesseltal
- Alois Fink aus Klindorf
- John Kikel als Altlag
- Mary Gregoritsch aus Stockendorf
- Maria Högler aus Göttenitz
- Mary Hönigmann aus Windischdorf
- Rudolf Kump aus Buchberg
- Mathias Lackner aus Preriegl
- Frank Meditz aus Nesseltal
- Hilda Meditz aus Nesseltal
- Josef Meditz aus Nesseltal
- John Petschauer aus Tschermoschnitz
- Ferdinand Sbaschnig aus Masereben
- Adolf Schauer aus Oberwarmberg
- Viktor Schauer aus Niedermösel
- Josef Schneller aus Nesseltal

- Karl Stalzer aus Büchel
- Fanny Staudacher aus Büchel
- Ferdinand Stimpfel aus Mooswald

In ebenso dankbarer Würdigung seien die Namen der bis zum Erscheinen dieses Werkes wirkenden Präsidenten des "Gottschee-Hilfswerkes" bzw. der "Relief Association, Incorporation" genannt:

- Adolf Schauer aus Oberwarmberg (1946-1950)
- John Kikel aus Altlag (1951-1953)
- Josef Hoge aus Altlag (1954/55)
- Karl Stalzer aus Büchel (1956-1965)
- Ernst Eppich aus Unterdeutschau (seit 1966)

Nicht nur in den Vereinigten Staaten finden große Veranstaltungen der Gottscheer statt, sondern auch in Europa. Die größte Zahl an Besuchern weist jedoch das "Volksfest" im Plattdeutschen Park zu New York auf. Je nach Witterung erscheinen vier- bis fünftausend Besucher. Das "Gottscheer Volksfest" gehört zu den größten landsmannschaftlichen Veranstaltungen der Deutsch-Amerikaner in New York. Der äußere Rahmen und Ablauf entsprechen am ehesten einem überdimensionalen Kirchweihfest daheim, einem "Kirtog". Lange Tische unter alten Bäumen erinnern an irgendein Wirtshaus im "Ländchen". Eine riesige Schallmuschel verrät, daß dieser Park für Volksfeste mit Blechmusik angelegt wurde. Den Gottscheern dient sie jedoch als Rednertribüne. Farbenfrohe Dirndltrachten beleben das heitere Bild.

Überlagert ist die festliche Kulisse von einem hochgestimmten Schwirren gottscheerischer Laute und dem immer neu aufklingenden Lachen der fröhlichen Festbesucher. In den ersten Jahren des "Volksfestes" wurde das Stimmengewirr vielfach unterbrochen von lauten Zurufen, Menschen stürzten aufeinander zu und hielten sich minutenlang mit den Händen und den Augen fest. Manche hatten sich dreißig, vierzig, andere fünfzig Jahre nicht mehr gesehen. Nachbarskinder, die fast geschwisterlich miteinander aufgewachsen waren, Jugendfreunde und -freundinnen, alte Kameraden aus gemeinsamer Militär- und Kriegszeit hatten sich wieder.

Und doch besteht ein tiefgreifender Unterschied zwischen dem "Gottscheer Volksfest" in New York und einem "Kirtog" daheim. Wenn sie so beieinander stehen, forscht heimlich jeder im Antlitz seines Gegenübers nach den Gesichtszügen der Kinderzeit - und findet sie, verborgen unter der Erinnerung an das Wunderland der Jugendtage. Alles blüht auf, was damals allein wichtig war, das Elternhaus, das Dorf, seine Kapelle, die unvergessenen Wege vorbei an den Bildstöcken und Feldkreuzen in die Wiesen und Wälder, die oft geheimnisvoll drohenden, dunklen Gottscheer Wälder. Die Spielplätze, die Schule, die Kirche und der Friedhof drängen sich in das Bild, durch das spielende Kinder toben, die Mutter ernst und schweigsam schreitet. Alles kommt ihnen viel größer und reicher vor, als es in Wirklichkeit war, denn die Enge und das Entbehrenmüssen sind vergessen. Viele, viele alte Gottscheer kommen aus der Tiefe des nordamerikanischen Raumes, plötzlich müde geworden des Übermaßes an Fremde, zu diesem Rastplatz der Heimatliebe, die nur noch das versunkene Traumland des Lebensfrühlings gelten läßt.

Vor dem eingefriedeten Festplatz aber stehen Hunderte jener Zeugen dafür, wie sich harte Arbeit lohnt, Automobile, von denen manche mehr kosten, als ein kleiner oder mittlerer Gottscheer Bauer in seinem ganzen Leben eingenommen hat.


Ein weiterer Unterschied zu einem heimischen "Kirtog" sind die offiziellen Ansprachen. Zuhause stand die Predigt des Pfarrers im Mittelpunkt. Im "Plattdeutschen Park" werden die Gäste von der Festleitung und dem Präsidenten des "Gottschee-Hilfswerkes" feierlich begrüßt, namentlich jene aus Europa. Unter ihnen befindet sich immer wieder Pater Mathias Schager aus Meierle. Er ist als Pfarrer in Wien tätig. So oft der Pater das "Volksfest" besucht, liest er einige Wochen später in Neu-Gottschee eine Feldmesse. "Neu-Gottschee" ist ein Gelände in der Landschaft Walden, 60 Meilen westlich von New York, das der Gottscheer "Country-Club" erworben und mit weit auseinanderstehenden Landhäusern im gängigen amerikanischen Stil bebaut hat. Trotz der beträchtlichen Entfernung wohnen jedesmal mehrere hundert Gottscheerinnen und Gottscheer dem Gottesdienst bei, um sich von diesem Ereignis mit seinem eigentümlichen Stimmungsgehalt erneut in der Abstammung bestätigt zu fühlen. An der Rückseite des Clubhauses ist, reich mit Grün geschmückt, der Feldaltar aufgebaut. In wenigen Metern Entfernung scharen sich die Gläubigen tief gestaffelt in einem weiten Bogen um den Altar. In ihrer Mitte steht eine Gruppe von Frauen. Sie singen ohne einen Dirigenten die "Deutsche Messe" von Franz Schubert.

Eine zweite, ländliche Ansiedlung von Gottscheer Landsleuten in aufgelockerter Form befindet sich in Hawley, Staat Pennsylvania. Sie ist in einem Raum von etwa 5 Quadratkilometern verstreut, dort stehen bereits 52 in moderner Art gebaute Einfamilienhäuser auf Grundstücken im Ausmaß von jeweils 5000 bis 50.000 Quadratmetern. Die meisten davon sind direkte Nachbarn. Etwa 20 Gottscheer sind bereits Eigentümer von weiteren Baugrundstücken in diesem Gebiet. Die Gegend liegt zweihundert Kilometer von New York entfernt in der Pocono-Gebirgsregion (eine bekannte und gern aufgesuchte Sommerfrische). Sie ist der Landschaft sowie auch der Seehöhe nach unserer ehemaligen Heimat Gottschee ähnlich. In diesem Raum liegt auch die beliebte Gaststätte "Lukans Farm" der Familie Lukan aus dem Gottscheer Unterland.

Um das Hilfswerk aufzubauen und mit Leben zu erfüllen und um eine Veranstaltung wie das "Volksfest" aufzuziehen, bedurfte und bedarf es zahlreicher freiwilliger Helfer und einer Anzahl von Männern und Frauen, die organisieren können und bereit sind, sich unter erheblichen, persönlichen Opfern an die Spitze zu stellen.

Die Präsidenten des Volksfestes waren:

- 1947 Anton Gliebe
- 1948 - 1952, 1959 Ignaz Kreuzmayer
- 1954 / 55 Karl Stalzer
- 1956 Fred Sumperer
- 1960 Albert Belay
- 1961 - 1963, 1966 bis heute Richard Eisenzopf
- 1964 / 65 Ernst Eppich

Besonders hervorzuheben ist hier die Leistung von Richard Eisenzopf aus Hohenegg, dem die Festleitung schon 15 Jahre anvertraut wurde. Für seine Verdienste wurde er zum "Ehrenrat" des "Gottscheer Hilfswerks" ernannt und ist Ehrenmitglied der Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt.

Die Kraft für ihre Opferbereitschaft erwuchs ihnen allen aus einem Aufruf des Gewissens, den eine Hinterbergerin in ihrem Inserat in die schlichten Worte kleidete: "Vergeßt den Gottscheer nicht in seiner Not!"

Die materielle Gesamtleistung der Gottscheer in USA und Kanada ist statistisch nicht erfaßt und wohl auch nicht erfaßbar. Wenn allein schon das "Gottscheer Hilfswerk" den Wert der Liebesgabenpakete, die über seine Organisation abgefertigt wurden, mit rund 100.000 Dollar beziffert, so sind darin die ungezählten Einzelsendungen an Verwandte, Freunde und Unbekannte noch nicht Inbegriffen. Nicht bewertbar ist auch das ideelle Kapital dieser einzigartigen Nachbarschaftshilfe, weil sie sich in Geld nicht ausdrücken läßt. Man kann ihr Vorhandensein bestenfalls erklären und zwar aus der Geschichte des Gottscheerlandes und aus den zahlreichen Vereinigungen zur Pflege gemeinsamer Erinnerung an das ferne "Ländchen".

Bei der Wahl des Vorstandes des Gottscheer Hilfswerks wurde 1966 Ernst Eppich zum Präsidenten erwählt. Er ist am 10. April 1920 in Unterdeutschau geboren und wanderte 1952 in die USA aus. Der gesamte Vorstand setzte sich damals aus Neueinwanderern zusammen. Diese jungen Leute sind mit aller Kraft und auch einem gewissen Ehrgeiz an die Arbeit gegangen, um zu beweisen, daß sie aus Dankbarkeit für die früher empfangenen Hilfesendungen bereit sind, weiterhin Hilfe an die noch immer in Not befindlichen Landsleute in Europa zu bieten.

Damals wurde auch das heute noch funktionierende Kulturkomitee gebildet. Sofie Moschner, die Leiterin dieser Vereinigung, hat durch ihre persönliche Hingabe und Bereitschaft den größten Anteil an den Erfolgen. Sie bildete die Gottscheer Trachtengruppe, die bei allen größeren Anlässen und Festlichkeiten in Erscheinung tritt. Alle Gottscheer Vereine mit dem Gottscheer Hilfswerk an der Spitze unterstützten auch den Deutschen Schulverein von New York. Sie erachten es als sehr wichtig, daß die Kinder von Gottscheer Eltern die Deutsche Schule besuchen.

Der jetzige Leiter des genannten Kulturausschusses, Albert Belay, veranstaltet alljährlich für jung und alt Weihnachtsfeiern im Gottscheer Klubhaus.

Die alten Weihnachtsbräuche aus der verlorenen Heimat werden erneuert, Gedichte und bekannte Weihnachtslieder werden von Kindern und den Gottscheer Chören vorgetragen. Kinder und betagte Landsleute werden durch Weihnachtsgaben erfreut.

Seit dem Jahre 1965 beteiligen sich die Gottscheer von New York auch an der großen Steuben-Parade der Deutsch-Amerikaner, die jedes Jahr in der 5th Avenue in New York abgehalten wird. Eine große Anzahl der Mitglieder der angeschlossenen Vereine nehmen daran teil. Die jeweilige Miß Gottschee mit ihren Prinzessinnen, die Gottscheer Trachtengruppe, die alljährlich Aufsehen erregt, sowie eine große Gruppe der jungen Fußballer von "Blau-Weiß Gottschee" marschieren mit.

In der Vermögensentschädigung hat sich das Gottscheer Hilfswerk mit großer Energie eingesetzt, um die Wiedergutmachung für unsere Landsleute in den USA zu erlangen. Es wäre falsch, einen Mann zu vergessen, der sich voll und ganz für die Entschädigung des Vermögens verwendet hat: Sein Name ist Josef Novak aus der Stadt Gottschee. Schon 1970 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste vom Gottscheer Hilfswerk zum "Ehrenrat" ernannt.

Heute besteht eine reibungslose Zusammenarbeit unter den Gottscheer Organisationen von New York. Diese Tatsache ist nicht zuletzt der umsichtigen Arbeit des
Präsidenten des Gottscheer Hilfswerks, Ernst Eppich, und seiner 12 jährigen Amtszeit zuzuschreiben.

Die erste Vereinsgründung zur gegenseitigen Hilfeleistung in Cleveland/Ohio (1889) wurde bereits dargestellt. Alle Vereinigungen entstanden und bestehen aus Idealismus und dienen kulturellen, sozialen und sportlichen oder rein gesellschaftlichen Zielen. Organisationen mit politischen oder wirtschaftlichen Zielen haben die Gottscheer in der Neuen Welt auf landsmannschaftlicher Basis nicht hervorgebracht.

Nachstehend verzeichnen wir die in der "Gottscheer Relief Association" zusammengeschlossenen Organisationen, auch jene, die sich nach jahrzehntelangem Bestehen und Wirken aufgelöst haben. Als Quellen dazu dienten das "Gedenkbuch" 1330 bis 1947, die "Jubiläumsschrift" anläßlich des 25jährigen Bestehens des Gottschee-Hilfswerks 1971 und Berichte eines Arbeitskreises des Hilfswerkes.

Der "Gottscheer Männerchor" ist der älteste Gottscheer Verein ganz Nordamerikas, der eine besondere kulturelle Tätigkeit entfaltet. Er wurde am 1. April 1900 gegründet, und hat sich in den nun fast acht Jahrzehnten seines Bestehens den Ruf eines hochstehenden Klangkörpers erworben. Er erfüllt heute noch die bei seiner Gründung gestellte Aufgabe, wie die Pflege des deutschen und des Gottscheer Liedes sowie hilfsbereiter Nachbarschaft bei frohgemuter Geselligkeit nach Gottscheer Art. Der erste Präsident hieß Peter Stonitsch aus Unterdeutschau. Zum ersten Dirigenten wurde Julius Drück, ein zu jener Zeit sehr bekannter Musiklehrer, gewählt. Jetziger Dirigent ist Peter Freund, ein Donauschwabe, der nicht nur hohe musikalische Fähigkeiten besitzt, sondern auch viel Verständnis für das Gottscheer Liedgut mitbringt. Ihm vor allem verdankt der Gottscheer Männerchor seine anerkannten sängerischen Qualitäten.

Die Seele des Vereins ist jedoch seit dem Jahre 1937 sein Präsident Karl J. Stalzer aus Büchel, Gemeinde Nesseltal. Er wurde 1905 in Newark/USA in jene Gottscheer Generation hineingeboren, die in Scharen in die Vereinigten Staaten auswanderte, aber nur in geringer Zahl wieder heimkehrte, um mit den ersparten Dollars neu zu beginnen. Dies taten auch noch seine Eltern. 1923 zog der 18 jährige seinerseits die Auswanderung in die Vereinigten Staaten, seinem Geburtsland, den immer schwieriger werdenden Lebensumständen in der Heimat vor. Er ließ sich in New York nieder und begründete seine Existenz als Bautischler, wurde Baumeister und Unternehmer. Unmittelbar nach seinem Eintreffen tat er im Gottscheer Vereinsleben mit. Die Landsleute erkannten seine Fähigkeiten und übertrugen ihm zahlreiche Arbeitsposten in den Organisationen, denen nun schon fast 52 Jahre seine Freizeit gehört. Mit ungewöhnlicher Arbeitskraft ausgestattet, gelang es ihm, Ämter wie das des Männerchorpräsidenten mit jenem des ersten Vizepräsidenten der "Relief Association" und Präsidenten derselben Organisation (1956 bis 1965) zu vereinen. Das Gottschee-Hilfswerk verlieh ihm für seine große Leistung den Titel eines Ehrenpräsidenten. Die "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften" (Sitz Klagenfurt) zeichnete ihn durch die einstimmige Verleihung des Gottscheer Ehrenringes 1977 aus. Der Ring wurde ihm in einer Feierstunde in New York überreicht.

1923 erhielt der "Männerchor" ein Gegenstück in dem "Gottscheer Damenchor". Es wurde Brauch, daß die beiden Chöre in jeder Saison als gemischter Chor mit einem umfangreichen Konzertprogramm vor die Öffentlichkeit traten. Der "Gottscheer Damenchor" löste sich 1957 auf. Ein weiteres Beispiel für die Sangesfreudigkeit der Gottscheerinnen in New York stellt der 1937 gegründete "Deutsch-Gottscheer Ge
sangsverein" dar. Derzeitige Präsidentin ist Sofie Moschner, geborene König aus Hohenberg. Ihre Vorgängerinnen waren Elsa Tscherne, Netti Wittmann, Luise Högler und Maria Stampfel-Graf, die vom Verein zu Ehrenpräsidentinnen ernannt wurden. Sofie Moschner, geboren 1922, wanderte 1955 nach New York aus, wo sie sofort eine tatkräftige Mitarbeiterin im Vereinswesen wurde. Große Verdienste hat sie sich, wie schon erwähnt, durch die Gründung einer Trachtengruppe innerhalb des Hilfswerks erworben. Auch ist es ihrem Einsatz zu verdanken, daß das Gottscheer Mundartlied zu einem Mittelpunkt in der Arbeit der "Gottscheer Chöre" (wie der Männerchor und der "Deutsch-Gottscheer Gesangsverein" auch genannt werden) geworden ist. Im Jahre 1967 erbrachte die enge Zusammenarbeit der Chöre eine Schallplatte mit 16 Gottscheer Volksliedern, eine Leistung, die damals einzig dastand und die sich würdig in die verdienstvollen Beiträge zur Erhaltung unseres Kulturgutes einreiht.

Dieser Frauenchor stützt sich heute nicht mehr allein auf die eingewanderten Gottscheerinnen, sondern auf ihre heranwachsenden Töchter, die bereits ein Drittel der Sängerinnen ausmachen. Sie liefern somit den Beweis, daß die Blütezeit des Chores noch nicht zu Ende ist.

War schon das Entstehen des "Gottscheer Männerchores" ein Zeichen dafür, daß die Zahl der Einwanderer aus der Sprachinsel bedeutend gestiegen war, wurde diese Tatsache am 24. April 1901 mit der Gründung des "Gottscheer Krankenunterstützungsvereines" unterstrichen. Er ist einer der ältesten Arbeiter-Selbsthilfe-Organisationen Amerikas. Der Mangel an sozialer Fürsorge und das Bedürfnis nach geselligen Zusammenkünften der Gottscheer Landsleute trugen wesentlich zu der Gründung dieses Vereins bei, die Unterstützung der Mitglieder in Krankheits- und Sterbefällen blieben jedoch bis heute der Hauptzweck. Erster Präsident wurde John Krisch. Man erkannte bald, daß der geringe Mitgliedsbeitrag nicht ausreichen würde, die Erfordernisse erfüllen zu können. So entschloß man sich, den inzwischen zur Tradition gewordenen Bauernball ins Leben zu rufen. Dies ergab nicht nur eine Stärkung der Vereinskasse, sondern bot gleichzeitig auch den Mitgliedern und Angehörigen Gelegenheit zu geselligen Zusammenkünften. Dazu fehlte den Gottscheern ein eigener Raum. So war der Ruf nach einem eigenen Clubhaus sehr groß. Der damalige Präsident des Vereines, Gottfried M. Tittmann, wurde der Urheber und Gründer des Gottscheer Clubhauses und der bald darauf folgenden Kinder-Weihnachtsbescherung. Diese leitete durch viele Jahre Adolf Schauer.

Ein weiterer Verein entstand am 4. Juni 1904 mit dem Namen "Österreichisch-Ungarischer Reservistenbund". Er wurde im Jahre 1907 als "österreichischer Männer-Krankenunterstützungsverein" bekannt. Erster Präsident war Alois Duffek, später zum Ehrenpräsidenten ernannt. Das Motto dieses Vereines war ebenfalls, den in Not geratenen Landsleuten bei Krankheits- und Sterbefällen behilflich zu sein. Am 18. Dezember 1955 vereinigten sich die beiden gleichen Zielen dienenden Vereine. Verdienstvolle Präsidenten des österreichischen M. K. U. V. waren Andreas Stontisch, Adolf Schauer, Ferdinand Matzele, Alois Fink, Hermann Koch und Ferdinand Novak. Wie bereits nach dem Ersten Weltkrieg der Gottscheer K. U. V. die treibende Kraft für Hilfsaktionen war, so kamen auch diesmal aus seinen Reihen die ersten Stimmen, den notleidenden Landsleuten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu helfen. Tatkräftig wurde das Vorhaben der Gründung des Gottscheer Hilfsvereines
unterstützt. Den Höhepunkt im Hinblick auf die Mitgliederzahl erreichte der Verein wohl im Dezember 1956 mit 530 Mitgliedern. Auch beim Umbau des Gottscheer Clubhauses im Jahre 1962 tat der Verein durch finanzielle Unterstützung ausgiebig mit. Alles wurde getan, um das Heim der Gottscheer in Ridgewood zu vergrößern.

Den großen Erfolg dieses Vereines kann man auch daran erkennen, daß er bis heute eine halbe Million Dollar an Kranken- und Sterbegeld nebst vielen anderen Unterstützungen auszahlte. Dabei wird nicht nur für die alten Mitglieder gesorgt, sondern auch der Jugend wird durch Errichtung von Stipendien geholfen. Für besondere Verdienste wurden im Laufe der Zeit mehrere Präsidenten zu Ehrenpräsidenten ernannt. Dies sind:

- Mathias Kump aus Kummerdorf 1903-1906 und 1931-1937
- Gottfried M. Tittmann aus Steyr 1910, 1912-1922, 1924-1927
- Adolf Schauer aus Oberwarmberg 1924-1930 Präsident im Ö. M. K. V.
- Josef Eppich aus Altlag 1962-1969.

Der jetzige Präsident ist Alois Eppich aus Kukendorf, der diesen Posten bereits elf Jahre bekleidet (1958/59 und seit 1970). Wiederum mit fast gleichem Namen und Programm wurde 1919 eine dritte Wohlfahrtsorganisation ins Leben gerufen, der Gottscheer Kranken-Unterstützungsverein von New York.

"Gottscheer Vereinigung" nennt sich eine vierte Organisation, die gegenseitige Hilfsbereitschaft und Pflege gottscheerischer Sitte und Art seit 1935 auf ihre Fahne geschrieben hat. Der Gründungspräsident war John E. Loser aus Rieg, der den Verein (mit kurzer Unterbrechung) auch heute noch führt. Loser ist ein tüchtiger Mitarbeiter in der Gottscheer Volksgruppe in New York und seine Leistungen werden hoch bewertet und voll anerkannt.

Der mitgliederstärkste und in der deutsch-amerikanischen Öffentlichkeit bekannteste Verband ist ein Sportclub, der sich nach den Landesfarben der früheren Sprachinsel den Namen "Blau-Weiß Gottschee" gegeben hat. Der erste Präsident war der Zivilingenieur Albert Belay aus Lienfeld. Er ist 1925 geboren, wanderte 1950 in die Vereinigten Staaten aus und fügte sich sogleich durch die Übernahme bleibender Ämter in das organisatorische Leben der Gottscheer in New York ein. Unter anderem führt er zehn Jahre das Kultur-Komitee der "Relief Association".

Die Gründung "Blau-Weiß Gottschee" machte den Landsleuten von Anbeginn viel Freude. Der Klub entwickelte sich zeitweilig über längere Strecken zum erfolgreichsten Sportverein des "Deutsch-amerikanischen Fußballbundes". So stieg er 1963 in die Oberliga dieses Verbandes auf. Die bedeutendsten Siege errangen jedoch die Nachwuchsmannschaften, besonders die Knabenmannschaft. Sie erreichte in den Jahren von 1963 bis 1968 und 1970 die DAFB-Meisterschaft (Deutsch-amerikanischer Fußballbund) in ihrer Klasse und (eine herausragende Leistung) verlor von 1963 bis jetzt kein einziges Spiel.

Seit Jahren bestreitet "Blau-Weiß" jede Spielsaison mit zehn oder mehr Mannschaften, ein Unternehmen, welches die Freizeit vieler Mitarbeiter und Betreuer voll in Anspruch nimmt. Seine Präsidenten waren bisher:

- 1951 Albert Belay (Lienfeld)
- 1952, 1953, Erwin Hönigmann (Altlag)
- 1954 bis 1961 Josef Hoge (Weißenstein)

- 1962 bis 1965 Albert Belay
- 1966 bis 1969 Louis Hocevar (Brunnwirt/Gottschee Stadt)
- 1970,1971 Albert Petsche (Hinterberg)
- 1972 bis 1974 Erwin Jonke (Gottschee Stadt)
- 1975 Willy Stalzer (Reichenau)
- seit 1976 Ernst Kresse (Ort)

Neben "Blau-Weiß Gottschee" haben sich viele Gottscheer zu anderen Sport- und naturverbundenen Clubs zusammengeschlossen. Vom Gottscheer Country-Club wird der Wunsch, möglichst oft und lange in einem eigenen Heim unter Gottscheern weilen zu können, organisiert. Die von den Clubmitgliedern entwickelte ziemlich weitläufige Siedlung nennt sich "Neu-Gottschee". Auf dem Gelände steht ein gut ausgestattetes Clubhaus, das seit seiner Errichtung ein viel besuchtes, sommerliches Ausflugsziel der New Yorker Gottscheer darstellt.

Jagdfreuden verwirklicht der "Green Mountain Hunting Club". Er wurde 1954 gegründet. Sein erster Präsident hieß Hermann Ostermann. Das Jahresprogramm sieht einschlägige sportliche Veranstaltungen sowie die Pflege waidmännischer Traditionen vor. Gegenwärtiger Präsident ist Josef Kofler aus Katzendorf.

Ein ähnliches jagdsportliches Vereinsleben entfaltet der "Gottscheer Rod and Gun Club". Gegründet 1950, war sein erster Präsident John Köstner. Er besitzt ein ausgedehntes Jagdrevier, dessen Baum- und Wildbestand sich freilich nicht mit jenem in den Gottscheer Wäldern vergleichen läßt. Mit um so größerer Anhänglichkeit pflegt der Club die Erinnerung an die alte, heimatliche "Jagerei". Gegenwärtiger Präsident ist Adolf Petsche aus Unterskrill.

Besonders ist noch der "Gottscheer-Kegelclub" zu erwähnen. Auch seine Zielsetzung endet nicht im sportlichen Tun, sondern vereinigt die Mitglieder oft und oft zu alt-gottscheerischer Unterhaltung in froher Runde. Erster Präsident war John Kropf, jetziger Präsident: Robert Schlinderer aus Rieg. Dieser Club hat eine beachtliche Zahl von Mitgliedern und ist ein treuer Mitarbeiter in der Gottscheer Gemeinschaft.

Das Vereinsleben der Gottscheer in New York hätte seine nun bald achtzig Jahre andauernde Regsamkeit mit den zahlreichen geselligen und gesellschaftlichen Veranstaltungen und Versammlungen nicht fortführen können, wäre nicht am 15. März 1924 der erste Schritt zur Gründung der "Gottscheer Central Holding Corporation" getan worden. Die damals bereits bestehenden Vereine beriefen eine Massenversammlung ein. Noch an Ort und Stelle erklärten sich mehr als hundert Personen bereit, der vorgeschlagenen Neugründung, deren Hauptziel die Errichtung eines Clubhauses war, als Aktionäre beizutreten. Bereits im Juni wird die Gesellschaft bei der zuständigen New Yorker Behörde eingetragen. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf mehr als 400 angewachsen, das Aktienkapital auf rund 10.000 Dollar gestiegen. Es wurde zum Ankauf des Grundstückes Nr. 657 in der Fairview Avenue im Stadtteil Ridgewood und für die dringendsten Reparaturen am Gebäude verwendet. Die größten Verdienste um das Entstehen der "Gottscheer Central Holding Corporation" erwarb sich Gottfried M. Tittmann, Sohn von Gottscheer Eltern, geboren 1888 in der Stadt Steyr, ist er im Jahre 1902 mit Vater und Mutter in die Vereinigten Staaten eingewandert. Er ist gelernter Goldschmied, gründete vor mehr als sechs Jahrzehnten ein eigenes Unternehmen, in dem er noch heute mit seinen Söhnen arbeitet. Aus seiner Lebensleistung für das Gottscheertum sei hervorgehoben: Er war der Gründer der
"Central Holding Corporation" und sein erster Präsident. 16 Jahre war er Präsident und 70 Jahre Mitglied des "Gottscheer Kranken-Unterstützungsvereines". In beiden Fällen wurde er von den Mitgliedern zum Ehrenpräsidenten gewählt.

Im Laufe der Jahrzehnte erfüllte das Clubhaus nach mehreren Ausbauten seine Zweckbestimmung immer besser. Der Durchbruch zum großräumigen repräsentativen Mittelpunkt der Gottscheer in New York wurde jedoch erst 1960 mit dem Ankauf des Nachbargrundstückes möglich. Die Umbauplanung und die erforderlichen Arbeiten leitete der verstorbene Präsident Ferdinand Sbaschnig aus Masereben (1905-1970), dem ein arbeitswilliges Komitee zur Seite stand. Sbaschnig war für diese Aufgabe als Inhaber eines Eisen- und Stahlkonstruktionsunternehmens besonders geeignet. Die feierliche Eröffnung fand am 1. Dezember 1962 unter großer Beteiligung der Gottscheer statt.

Auch der gegenwärtige Präsident Arthur Tramposch aus Nesseltal betrachtet es als persönliches Anliegen, das Clubhaus in einem ausgezeichneten Zustand nicht nur zu erhalten, sondern noch weiter auszubauen. Arthur Tramposch ist 1904 in Chicago geboren, lebte mit seinen Eltern von 1911 bis 1922 in Nesseltal und kehrte in diesem Jahr in die USA zurück. Er blickt auf ein erfolgreiches Leben als Fachmann der Holzbearbeitung im Rahmen einer Großtischlerei zurück.

So wie das Gottscheer Clubhaus heute dasteht, legt es beredtes Zeugnis ab für die Opferbereitschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Gesellschafter und Besucher. Seine Anziehungskraft endet nicht an der Stadtgrenze von Groß-New York. Alle Gottscheer wissen, daß dort ein Heimathaus steht, Heimat durch die Menschen, die dort Tag für Tag und Jahr für Jahr aus und ein gehen. Das klingt ein wenig sentimental, aber - es soll kein Vorwurf sein - ein dem materialistischen Zeitgeist verhafteter Zeitgenosse kann sich eben kaum vorstellen, was diese Menschen bewegt, wenn sie manchmal nach langer Zeit wieder mit einem Landsmann in der alten Mundart g
atscheabarisch reden können. Am ehesten begreift das noch ein Schwabe, der sich ungemein freut, wenn er in einer anderssprachigen Umgebung auf einen Landsmann trifft, mit dem er schwäbisch "schwätze" kann. Nicht zufällig steht das "Haus der Gottscheer", wie man es auch nennen könnte, in Ridgewood. Von diesem Stadtteil sagt man, daß dort jedes zweite Haus einem Gottscheer gehöre. Die Stadtverwaltung hat wiederholt die auffallende Sauberkeit der Straßen und Häuser in diesem Viertel anerkannt. Dies ist die Repräsentation der Wohngesinnung nach außen.-

Die große Bedeutung des in New York entstandenen Gottscheer Hilfswerks für alle lebenden Gottscheer rechtfertigt eine eingehende Behandlung seines Entstehens und Bestehens. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es außerhalb New Yorks keine oder keine so hilfsbereiten Gottscheer Organisationen gibt und gab wie dort. Es gibt auch noch weitere Stätten der Begegnung mit dem Landsmann, von denen man ebenfalls sagen kann, daß die Vereine darin ein Zuhause haben. Wie in New York finden dort Gemeinschaftsveranstaltungen, Familienfeiern, Konzerte und Bälle statt. Man sieht und wird gesehen, junge Leute finden sich hier fürs Leben, feiern hier Hochzeit und Taufe. - Nicht zufällig entstand fast gleichzeitig mit der "Gottscheer Relief Association Incorporation" in New York das "Relief Comity" in Cleveland/Ohio. Es wurde von folgenden Vereinen aufgebaut: "Erster österreichischer Krankenunterstützungsverein", dem wir hier zum zweitenmal begegnen. Er darf für sich in Anspruch
nehmen, der erste Gottscheer Hilfsverein, überhaupt die erste, von Gottscheern gebildete Organisation auf amerikanischem Boden gewesen zu sein. Dazu kamen der "Deutsch-Österreicher Unterstützungsverein" und der "Deutsch-Österreicher Frauenbund". Alle drei sind Gottscheer Gründungen vor 1918. Sie verwendeten das Wort Österreich in ihren Namen, weil sie aus diesem Lande kamen und weil sich unter dem Begriff "Gottschee" selbst die Deutsch-Amerikaner zur damaligen Zeit nichts vorstellen konnten.

- Je drei Beauftragte dieser drei Organisationen trafen sich mit Vorstandsmitgliedern und nicht organisierten Gottscheern im März 1946 zu einer Vorbesprechung. Schon bei dieser Gelegenheit wurde beschlossen, mit dem "Gottschee-Hilfswerk" in New York zusammenzuarbeiten. Der Beschluß zur Gründung des "Relief Comity" wurde kurz darauf gefaßt. Die Gottscheer Volksgruppe von Cleveland/Ohio dürfte in der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch 6000 bis 6500 Gottscheer umfaßt haben. Auch sie erbauten für ihr Gemeinschaftsleben ein Clubhaus. Bereits seit Jahrzehnten verfügen sie aber auch über eine eigene Kirchengemeinde, die von Geistlichen aus Gottscheer Familien geführt und betreut wird. Sie amtieren in der gemeindeeigenen Kirche zur "Heiligen Dreifaltigkeit". Als letzte Vereinigung von Gottscheern entstand 1970 eine Blaskapelle.

In Milwaukee am Michigansee, wo ebenfalls ein Gottscheer Verein existiert, gründeten sangesfreudige Frauen einen gemischten Damen-Kinder-Chor.

Eine größere Zahl von Gottscheern ist auch in Chicago seßhaft geworden. Wie viele es sind, ist schwer zu sagen, immerhin genug, um einen Verein mit einem stattlichen Jahresprogramm zu haben.

Die Gottscheer in Kanada stellen zahlenmäßig lediglich einen Bruchteil ihrer Landsleute in Amerika dar. Außerdem sind sie außerordentlich dünn über das Riesenland verteilt. Ihre Einwanderung lag zeitlich wesentlich später als jene in die USA, hauptsächlich zwischen den beiden Weltkriegen und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die größte Gruppe lebt in Toronto, eine etwas kleinere Gruppe in Kitchener und einige Dutzend Familien haben in Montreal und Vancouver Heimat und Existenz gefunden. Sie und andere kleine, über das ganze Land verteilte Gruppen sind im allgemeinen deutschen und österreichischen Vereinen angeschlossen.

Gottscheer Vereine haben sich nur in Toronto und in Kitchener entwickelt. Beide Vereine besitzen Clubhäuser. Jenes in Kitchener wurde 1953 unter dem Präsidenten Richard Mausser gegründet. Es nennt sich "Alpen-Club" und gehört den Gottscheern, steht aber auch anderen deutsch-kanadischen Vereinigungen zur Verfügung. Der "Alpen-Club" in Kitchener gilt bei Besuchern als die umfangreichste, von Gottscheern erbaute Anlage dieser Art. -

Wenn von Kitchener die Rede ist, so sollte man auch Josef Mausser, den Bruder von Richard Mausser, erwähnen. Er wurde von der Stadt mit der Benennung einer Straße und eines Parks nach seinem Namen dafür ausgezeichnet, daß er nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als achtzig Gottscheern die Einwanderung nach Kanada ermöglicht hat.

Der Verein der Gottscheer in Toronto wurde 1955 ins Leben gerufen. Seine Gründer waren Rudolf Muchitsch aus Obergras und Heinrich Lobe aus Zwischlern. Seit 1965 steht Norbert Lackner an der Spitze des Vereines, der 1967 den "Gottscheer Park" kaufte und auszustatten begann. Lackner stammt aus Hohenegg und wurde
1924 geboren. Er absolvierte die Private deutsche Lehrerbildungsanstalt in Neuwerbaß/Batschka, Jugoslawien.

Wegen einer besonderen, sportlichen Leistung verdient Josef Schleimer aus Zwischlern hervorgehoben zu werden: Er errang - für Kanada startend - bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin eine Bronzemedaille im Ringen. Sein Name ist in der "Hall of Fame", der höchsten Auszeichnung für kanadische Sportler, eingetragen.

Kehren wir zurück in die USA. Wir haben das Bild des Gottscheer Clubs in den Vereinigten Staaten von Nordamerika noch hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage in seiner Gesamtzahl und Verbreitung zu vervollständigen. Glücklicherweise hat John Kikel in dem Gedenkbuch 1330 bis 1947 dazu eine prägnante Abhandlung hinterlassen. Er schreibt auf den Seiten 22/23 unter anderem:

"Im Vergleich zu anderen in Amerika eingewanderten Stämmen stehen die Gottscheer in wirtschaftlicher Hinsicht an der Spitze und das Durchschnittsvermögen wird auf mehr als 10.000 Dollar geschätzt. Die Mehrzahl der Gottscheer ist in einem gelernten Beruf beschäftigt und ein großer Teil davon als Zimmerleute und Tischler. Als Geschäftsleute finden wir sie fast in jeder Branche, vorwiegend aber in Delikatessengeschäften und Gasthäusern. Fast alle Gottscheer sind Hausbesitzer. In Cleveland, welches größere Ausdehnungsmöglichkeiten hat als New York, eignen die meisten Ein- oder Zweifamilienhäuser.

Wir haben keine genauen statistischen Belege über die in Amerika lebenden Gottscheer und ihre Angehörigen, können aber mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß in Cleveland und anderen Städten in Ohio etwa 7000 ansässig sind und in Ridgewood, New York und Umgebung etwa 6000. Wenn man die Anzahl der in den anderen Staaten Amerikas und Kanadas lebenden Gottscheer und ihrer Angehörigen, die man in jedem Staat von New York bis San Franzisco findet, auf 6000 schätzt, so haben wir heute in Amerika 19.000 Gottscheer und mag diese Zahl größer, aber sicher nicht kleiner sein."

Die vorstehenden Ausführungen John Kikels treffen heute nur noch bedingt zu. Seit ihrer Niederschrift sind 3 Jahrzehnte vergangen. In dieser Zeit hat sich das Durchschnittsvermögen der Gottscheer nominell zweifellos vergrößert, aber der Wert des Dollars ist inzwischen stark abgesunken. Auch in den USA ist die Inflation sehr wohl bekannt.

Pauschal kann man sagen, daß es in der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts dem Amerika-Gottscheer besser geht, denn je.

Weitaus weniger erfreulich stellt sich uns jedoch die Bevölkerungsbilanz der Gottscheer in Amerika und Kanada dar. Ohne Aufsehen, in ihr Schicksal ergeben, vollstrecken auch die Gottscheer in den USA und Kanada das Lebensgesetz ihres Stammes, denn: Echte Gottscheer werden nicht mehr geboren, sie sterben nur noch.

Mit "echt" - man könnte dafür auch das Wort "gebürtig" setzen - sind die im "Ländchen" geborenen Gottscheer und ihre unmittelbaren Nachkommen, die ebenso gut in den USA und Kanada oder in Österreich und Deutschland oder nach 1941 in einem Flüchtlingslager geboren sein können, gemeint. Die meisten von ihnen beherrschen noch den Gottscheer Dialekt oder verstehen ihn zumindest gut.

Vor dem Versuch, die Gesamtzahl der Gottscheer in der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu ermitteln, erhebt sich für manche Leser sicher die Frage, wozu es gut sein soll, den Schlußakt der Tragödie Gottschee, das langsame
Dahinschwinden der letzten Generation, bis zum bitteren Ende auszuspielen. Wer so fragt, stellt dieses gesamte Werk in Frage, denn auch der Untergang ist Gottscheer Geschichte. Außerdem verfügen nur die Letzten dieses kleinen Völkchens aus dem Karst nach ihren sechs Jahrhunderten Geschichte über eine politische und menschliche Reife, der man weite Verbreitung wünschte. Zwar widerstrebend, doch endgültig haben sie sich mit der Unabänderlichkeit ihres Schicksals abgefunden und sich die Erkenntnis zu eigen gemacht, daß sie in allen Machtzentren bestenfalls ein mitleidiges Lächeln geerntet hätten, wären sie nach 1945 auf die Idee verfallen, ihr altes Siedlungsgebiet zurückzuverlangen.

Wenn man nur im einzelnen zu prüfen versucht, wie weit die Angabe John Kikels, daß 1947 im nordamerikanischen Raum rund 19.000 Gottscheer und ihre Angehörigen lebten, zutrifft, so hält es in großen Zügen nicht nur die Geschichte der Einwanderung der Gottscheer in die USA fest, sondern auch die statistischen Voraussetzungen für die Gesamtzahl der Gottscheer in der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhundert.

Hat John Kikel recht? Wir müssen davon ausgehen, daß seine 19.000 eine Schätzung sind. Uns stehen heute folgende Zahlen, an die wir gebunden sind, zur Verfügung:

1876: Der Wiener Bevölkerungswissenschafter C. Czoernig schätzt die Zahl der Gottscheer auf rund 25.000 bis 26.000. Wir nehmen die obere Grenze, 26.000.

1910: Die letzte Volkszählung in der österreichisch-ungarischen Monarchie ergibt 17.400.

1930: Eine private Zählung mit Hilfe der Pfarreien ermittelt rund 14.500.

1941: Ergebnis der Durchschleusung im EWZ-Zug rund 12.000.

Wir überblicken daher die Bevölkerungs- und Wanderbewegung von genau hundert Jahren, von 1876 bis 1976. Führen wir uns noch einmal vor Augen, daß das Gottscheerland in diesen drei stürmischen Menschenaltern zwei epochalen Entwicklungen zum Opfer fiel, dem Wanderungsausgleich zwischen der dicht bevölkerten alten und der dünn besiedelten neuen Welt auf der einen und den chauvinistischen Auswüchsen des mitteleuropäischen Nationalismus auf der anderen Seite. Die Gottscheer sind von ihrem Fleckchen Erdboden verschwunden, aber ihre Lebenskraft ist vorerst noch ungebrochen. Wenn wir nämlich die etwa 19.000 Gottscheer John Kikels, die etwa 12.000 Umsiedler von 1941 und die rund 700 (Schätzung des Verfassers) echten Gottscheer in der Ersten Republik Österreich zusammenzählen, stehen plötzlich rund 32.000 Gottscheer vor uns. Man kann hier mit John Kikel sagen: ".. .und mag diese Zahl größer, aber sicher nicht kleiner sein." Sie illustriert außerdem das Übergewicht der Amerika-Kanada-Gottscheer: 60 der Menschen gottscheerischer Abstammung lebten 1947 in Nordamerika!

Nehmen wir also zur Überprüfung der Kikelschen Zahl von 1947 die erste Auswanderungsphase der Gottscheer von 1880 bis 1914 unter die Lupe. Dabei unterscheiden wir genau zwischen Geburtenjahrgängen und Auswanderungsjahrgängen. Zunächst interessiert es uns, welche Altersgruppen in diesem Zeitraum in Bewegung gerieten und nach Übersee auswanderten. Zwangsläufig mußten sie am Beginn ihrer persönlichen zwanziger Jahre stehen und, wenn sie schon verheiratet waren, kinderlos sein. Bereits ein einzelnes Kleinkind konnte die Seßhaftmachung in Amerika entscheidend behindern, abgesehen davon, daß die Überfahrt hygienisch und ernährungsmäßig für das gesundheitlich empfindliche Wesen Lebensgefahr bedeutet hätte. Obwohl es Ausnahmefälle gegeben hat, schieden also Familien mit mehreren Kleinkindern von vornherein aus. Wir dürfen daher das Durchschnittsalter der ersten Auswanderergeneration ruhig mit 23 Jahren ansetzen. Die Burschen waren etwas älter, weil sie ja ihre Militärzeit abzuleisten hatten, die Mädchen etwas jünger, einundzwanzig bis zweiundzwanzig Jahre. Danach waren die fünfunddreißig Jahrgänge der ersten Auswanderungsphase zwischen 1857 und 1891 geboren.

Zur Gesamtzahl der in dieser Zeit aus dem "Ländchen" ausgewanderten Gottscheer und Gottscheerinnen ziehen wir zunächst die Rückgangszahl zwischen der Schätzung von Czoernig (1876: 26.000) und dem Ergebnis der Volkszählung von 1910 (17.400) heran. Die Differenz beträgt 8600. Diese 8600 Personen sind der Wanderungsverlust zwischen 1876 und 1910. Er muß jedoch hinsichtlich der Jahre 1911 bis 1914 und hinsichtlich des Geburtenüberschusses seit 1876 bereinigt werden. Von Czoernig weiß man, daß er seine Schätzung als die Höchstzahl der Gottscheer in ihrer Geschichte betrachtet. Das bedeutete, daß ihre Geburtenfreudigkeit 1876 nicht plötzlich abbrach, sondern anhielt, was einen weiteren Geburtenüberschuß zur Folge haben mußte. Zweifellos nahm er als Folge des Bevölkerungsüberdruckes in der Volksinsel ab. Wir tun daher gut, wenn wir eine bescheidene Vorhersage treffen, denn von 1881 an fielen ja die Geburten der ausgewanderten Mädchen und der jungen Frauen aus. Wir dürften der Wirklichkeit ganz nahe kommen, wenn wir lediglich 60 bis 70 Kinder pro Jahr als Geburtenüberschuß annehmen. Auch dann kommen wir immer noch auf etwa 2500. Diese Zahl überdeckt die tatsächliche Zahl der Auswanderung, wir müssen sie daher den 8600 hinzufügen, womit wir bei 11.100 angelangt sind.

Zu den vermutlichen Auswandererzahlen der Jahre 1911 bis einschließlich 1914 ist zunächst zu sagen, daß es sich um politische und militärische Krisenjahre handelte. Die Balkankriege von 1912/13 förderten die Auswanderung ganz beträchtlich, fanden sie doch gewissermaßen vor der Haustüre der Habsburger Monarchie statt. Wie hoch sie anstieg, dafür gibt uns Dr. Podlipnig in der Kulturbeilage Nr. 54 der "Gottscheer Zeitung" vom September 1973 einen verbürgten Anhaltspunkt. Die Bezirkshauptmannschaft Gottschee gab in den ersten sechs Monaten des Jahres 1914 noch 700 Reisepässe für Amerika aus. Da die Sprachinsel Gottschee bekanntlich aber mit wesentlich kleineren Anteilen den Bezirkshauptmannschaften Rudolfswerth und Tschernembl angegliedert war, müssen wir weitere rund 200 Reisepässe für die USA hinzuzählen, mithin mit einer Auswanderung von 900 Personen in der ersten Jahreshälfte 1914 rechnen. Eine Auswanderung nach Kanada fand in dieser Zeit noch kaum statt. Die Auswanderungszahlen in den Jahren 1911 bis 1913 stellen wir zumindest annähernd mit Hilfe folgender Rechnung fest: Die durchschnittliche Auswanderer
zahl betrug zwischen 1880 und 1910 rund 360 (11.100 : 30). Wenn wir diesen Durchschnitt in die drei Jahre von 1911 bis 1913 weiterlaufen lassen, kämen wir auf 1080. Bei einer Steigerungsrate infolge der gespannten Lage von rund 30 greifen wir bestimmt nicht zu hoch und gelangen auf rund 1350. Mithin können wir folgende Schlußrechnung der Auswandererzahl in den Jahren von 1880 bis 1914 aufmachen:


1. Statistischer Wanderungsverlust zwischen 1876 bis 1910
8.600
2. Geschätzter Geburtenüberschuß
2.600
3. Vermutliche Auswandererzahl 1911 bis 1913
1.350
4. 1914 mit großer Wahrscheinlichkeit rund
900
 
13.350


Wenn wir nun diese für jeden Kenner der Gottscheer Verhältnisse durchaus wahrscheinliche Zahl wiederum durch fünfunddreißig - das ist die Zeit von 1880 bis 1914 - teilen, erhalten wir einen Jahresdurchschnitt von 380.

Nun greifen wir auf die Geburtenjahrgänge von 1858 bis 1892 zurück und fragen, wie viele Auswanderer aus diesem Zeitraum 1947 nach menschlichem Ermessen noch am Leben gewesen sein konnten. Um das Verfahren abzukürzen, legen wir jeweils fünf Geburtenjahrgänge zusammen, das macht 5 mal 380 = 1900.

1. Die Geburtenjahrgänge 1858 bis 1862 wären 1947 - 89 bis 85 Jahre alt geworden. Weil die eingewanderten Männer und Frauen unter außerordentlich erschwerten Arbeitsbedingungen gelebt hatten, erreichten sie kein so hohes Alter.

2. Die Geburtenjahrgänge von 1863 bis 1867 wurden 1947 - 84 bis 80 Jahre alt. Vermutlich lebte auch von ihnen niemand mehr.

3. Die Geburtenjahrgänge 1868 bis 1872 wurden 1947 - 79 bis 75 Jahre alt. Von ihnen könnten noch 8 bis 10 gelebt haben, also etwa 175.

4. Die Geburtenjahrgänge von 1873 bis 1877 wurden 1947 - 74 bis 70 Jahre alt. Von ihnen lebten möglicherweise noch 15 bis 17, vor allem Frauen, also etwa 315.

5. Die Geburtenjahrgänge 1878 bis 1882 wurden 1947 - 69 bis 65 Jahre alt. Von ihnen lebten höchstwahrscheinlich noch 34 bis 36, demnach 690.

6. Die Geburtenjahrgänge 1883 bis 1887 wurden 1947 - 64 bis 60 Jahre alt. Von ihnen lebten mindestens noch 85, also rund 1650.

7. Die Geburtenjahrgänge von 1888 bis 1892 wurden 1947 - rund 59 bis 55 Jahre alt. Von ihnen lebten höchstwahrscheinlich noch 98, das heißt rund 1850.

Zusammen 4680.

Auf 4700 aufgerundet sind das demgemäß im Jahre 1947 die vermutlich noch lebenden Alteinwanderer aus dem Gottscheerland. Darin sind die Rückwanderer, die während des gleichen Zeitraumes heimkehrten, um eine neue landwirtschaftliche Existenz aufzubauen, nicht enthalten. Wir besitzen nicht den geringsten Anhaltspunkt, wie viele es gewesen sein könnten, zumal ein Teil von ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg doch wieder in die USA zurückgewandert ist.

Zu den restlichen 4700 Alteinwanderern kommen nun deren in den USA geborene Kinder, die wir ja noch als echte Gottscheer ansprechen würden. Ihre Geburtenzahl wird in den ersten achtziger Jahren sicher niedrig gewesen sein, stieg jedoch infolge der wachsenden Einwanderung und der Existenzfestigung von Jahr zu Jahr.


Sie selbst befanden sich etwa 1906 ebenfalls im Alter der Heiratsfähigkeit und Familiengründung. Ihre Kinder kann man freilich nicht mehr als "echte Gottscheer" bezeichnen, denn sie sprachen auch mit ihren Eltern nur noch englisch, hörten nur selten oder gar nicht ein gottscheerisches Wort oder eine Schilderung des Herkunftslandes der Großeltern.

Wie aber gelangen wir zu einer wenigstens ungefähren Zahl der Nachkommen der Ureinwanderer aus dem Gottscheerland, damit wir sie mit den oben ermittelten 4700 zusammenziehen können? Als einfachster Weg scheint sich anzubieten, daß man die Zahl der 13.350 Alteinwanderer halbiert, weil es ja etwa gleichviel Männer und Frauen auf der Welt gibt. In diesem Falle nicht. Es sind in der ersten Auswanderungsphase mehr Männer als Frauen in die USA gezogen. Gewiß war es die Regel, daß der Gottscheer eine Gottscheerin heiratete, doch dürften infolge der ungünstigen Verteilung der Einwanderer bzw. der überwiegenden Zahl der Männer kaum mehr als 5500 Ehen zustandegekommen sein. Die hier nicht berücksichtigten 2350 Gottscheerinnen und Gottscheer heirateten entweder nicht oder verbanden sich mit Partnern außerhalb der Gottscheer Gruppe. Schreiben wir nun jeder dieser 5500 Ehen durchschnittlich zwei bis drei Kinder zu - womit wir der Wirklichkeit vermutlich sehr nahe kommen - so dürfte die Zahl der "Nachkommen" im Kikelschen Sinne 11.000 plus 2750 = 13.750 betragen haben. Die Ältesten von ihnen waren 1947 dann 60 bis 65 Jahre alt. Zählen wir nun die 4700 Alteinwanderer und die Nachkommen aus den 5500 Gottscheer Ehen zusammen, so stehen wir bereits an dieser Stelle bei rund 18.500! Dabei haben wir erst noch die zweite Auswanderungsphase zu berechnen. Sie setzte, wie gesagt, 1920/21 ein und lief in den dreißiger Jahren allmählich aus.

In der zweiten Phase haben wir auch die Auswanderung in die Republik Österreich statistisch heranzuziehen. Sie setzt sich zusammen aus den Optanten für Österreich, den auf diese Weise vertriebenen Lehrern und Beamten, den Schülern und Studenten, die 1919 bis 1925 in Österreich die Schulen besuchten und nicht mehr heimkehrten sowie dem ständig fließenden Rinnsal arbeitsuchender Gottscheer aus handwerklichen und Dienstleistungsberufen. Wir unterschätzen die Gesamtzahl dieser Personengruppe mit 700 gewiß nicht.

Zu einer ungefären Berechnung der zweiten Auswanderungsphase ziehen wir die oben bereits aufgeführten, amtlichen bzw. halbamtlichen Zahlen heran:



1. Die Volkszählung von 1910
17.400
2. Die 1930 durchgeführte Zählung mit Hilfe der Pfarreien
14.500
3. Die aufgerundete Umsiedlerzahl von 1941
12.000


Die offizielle jugoslawische Volkszählung aus dem Jahre 1921 ist für unsere Zwecke unbrauchbar, denn sie manipulierte die Ergebnisse im Gottscheerland zu einer statistischen Farce, wie einige Gegenüberstellungen der österreichisch-ungarischen Volkszählung von 1910 und der jugoslawischen von 1921 beweisen. Wir zitieren Dr. Podlipnig (Kulturbeilage Nr. 54 der "Gottscheer Zeitung" vom September 1973):



Deutsche = D
Slowenen = S
Altlag
1910 - D 828; S 5
1921 - D 694; S 53
Gottschee / Stadt
1910 - D 2025; S 255
1921 - D 1226; S 1799
Obermösel
1910 - D 1056; S 17
1921 - D 762: S 299
Göttenitz
1910 - D 359; S 13
1921 -
D 337; S 13
Mitterdorf
1910 - D 1223; S 119
1921 - D 996; S 321
Morobitz
1910 - D 291; S -
1921 - D 222 ; S 1
Rieg
1910 - D 426; S 20
1921 - D 340; S 85


Die Manipulation der angeblichen Zählergebnisse ist zu augenscheinig, als daß man dazu viel erläutern müßte. Nur so viel sei gesagt, daß man einfach eine bestimmte Zahl von Gottscheern aus den Zählungslisten strich und dafür eine etwa entsprechende Zahl von Slowenen einsetzte. Auch das war eine Art Slawisierung des Gottscheerlandes. Da aber in der Zeit von 1919 bis 1921 niemand im "Ländchen" das Geld hatte, um Wohnhäuser zu bauen - insbesondere nicht der junge SHS-Staat - ist unerfindlich, auf welche Weise man plötzlich in Mösel rund 280 Menschen unterbringen sollte. Zwangseinquartierungen sind nicht erfolgt. Es wurde auch keine slowenische Schule errichtet. Außerdem: wohin sollten die verschwundenen Gottscheer gekommen sein? Die Auswanderung in die USA und Kanada lief mit geringen Zahlen eben erst wieder an. Die Option für Österreich wurde vom Gottscheer Bauern kaum wahrgenommen. Um den Schein zu wahren, ließ man jedoch in Morobitz und Göttenitz die Zahl der Slowenen gegenüber 1910 bestehen. Warum aber in Göttenitz nur 22, in dem wesentlich kleineren Morobitz hingegen rund 70 Gottscheer das Weite gesucht haben sollen, während in dem benachbarten Rieg 85 Slowenen zugezogen sind, wird stets das Geheimnis der Laibacher Statistiker von 1921 bleiben.

Doch nun zurück zur zweiten Auswanderungsphase.

Bevor wir fortfahren, noch ein Wort zu der Umsiedlerzahl von 12.000: Die EWZ durchschleuste nach ihrem Schlußbericht 11.747 Gottscheer und Gottscheerinnen, Dr. Wollert spricht von 12.000. In beiden Zahlen sind die Nichtoptanten und die aus zivilen oder militärischen Gründen außerhalb des "Ländchens" weilenden, aber noch dort zuständigen Personen natürlich nicht enthalten. Wenn wir jedoch auf die Gesamtzahl der 1941 lebenden Gottscheer zusteuern, dürfen wir sie nicht fehlen lassen, denn die Verweigerer der Option für Deutschland waren ja nicht plötzlich keine Gottscheer mehr, wurden dadurch auch nicht plötzlich zu Slowenen. Sie hatten letzten Endes für das Gottscheerland optiert. Wenn wir ihre Zahl nur mit 3% ansetzen, kommen wir bereits auf rund 360. Mit der abwesenden Gruppe zusammen
dürften sie etwa 400 bis 500 Köpfe erreicht haben. Wir haben daher eine den
Tatsachen nahekommende Differenz zwischen 1910 und 1941 von rund 5000 Personen (17.400 minus 12.500). Die im alten Siedlungsgebiet seßhafte Bevölkerung schrumpfte also in den fünfundsechzig Jahren seit 1876 um mehr als die Hälfte etwa um 57%.

Der rein zahlenmäßige Menschen Verlust zwischen 1911 und 1941 bedarf ebenfalls einer Bereinigung. Der Verfasser hat dies unter Berücksichtigung aller in Frage stehenden Faktoren vorgenommen und ermittelte auf die gleiche Weise wie für die erste Auswanderungsphase einen Abzug von rund 1600 Personen nach den USA und Kanada. Der nördliche Nachbar der Vereinigten Staaten, ein Land von sehr großer Ausdehnung, aber geringer Bevölkerungsdichte, wurde nach dem ersten Weltkrieg für die Gottscheer deshalb interessant, weil sie von dort aus die strengen Einwanderungsbestimmungen Amerikas über die "Grüne Grenze" oder durch ein entsprechend langes Verweilen in Kanada umgehen konnten. Das taten natürlich auch andere. Wie viele Auswanderer aus dem "Ländchen" diesen Weg gegangen sind, läßt sich nicht rekonstruieren.

Daß zwischen 1920/21 und etwa 1935 nur rund 1600 Gottscheer in die USA ausgewandert sein sollen, erscheint auf den ersten Blick völlig unwahrscheinlich. Man muß jedoch berücksichtigen, daß die Einwanderungspolitik Washingtons gegenüber dem Nachfolgestaat der österreichisch-ungarischen Monarchie keine bedeutenden Quoten zuließ, und daß ferner ab 1929 die Weltwirtschaftskrise mit ihrer Arbeitslosigkeit die Amerika-Gottscheer nicht dazu veranlaßte, Landsleute in das Land der nunmehr begrenzten Möglichkeiten hinüberzuziehen.

Setzen wir, wiederum rein rechnerisch, die Zahlen der aus den 1600 bei Gottscheern und Gottscheerinnen entstandenen Ehen mit 560 bis 600 fest und nehmen wir an, daß aus jeder im Durchschnitt zwei Kinder hervorgingen. Nur zwei und nicht zwei bis drei deshalb, weil sich die Gottscheer auch in diesem Punkt der abgesunkenen amerikanischen Geburtenfreudigkeit anpaßten. Jedenfalls erhöht sich die Zahl der 1947 in Nordamerika lebenden Gottscheer um rund 1600 Einwanderer und ihre etwa 1200 Nachkommen auf die Endsumme von etwa 21.000. Damit haben wir John Kikels Bemerkung, 19.000 seien niedrig geschätzt, vollauf bestätigt. Wir nehmen allerdings an, daß auch er die Enkelkinder der Alteinwanderer aus der Sprachinsel nicht mehr zu den echten Gottscheern zählte. Was nun die Gesamtzahl der Gottscheer zu diesem Zeitpunkt angeht, so mag sie zwischen 1941 und 1947 - einschließlich der in der alten Heimat zurückgebliebenen Nichtoptanten - vermutlich um 32.000 bis 34.000 gelegen sein.

Wir schreiben das Jahr 1950. Die dritte Auswanderungsphase der Gottscheer nach Nordamerika setzt ganz langsam ein. Nur ein geringer Teil der aus der Untersteiermark geflohenen Umsiedler hat bisher die Flüchtlingslager verlassen können. Er hat unter manchmal ungünstigsten Voraussetzungen wenigstens Anhaltspunkte für den Aufbau einer neuen Existenz gefunden. Die jüngeren, unverheirateten Umsiedler träumen von Amerika. Längst haben sie wieder die Verbindung mit den Verwandten und Freunden in den USA und Kanada aufgenommen. Die Lagerinsassen können es kaum erwarten, daß die Hoffnungen, die ihnen aus den Briefen entgegenschlagen, in Erfüllung gehen. Sie erfahren, daß alles getan werde, um ihnen möglichst bald die Auswanderung nach Amerika zu ermöglichen. Es war außerordentlich schwierig, in
dem ungeheuren Wirrwarr der Flüchtlingsströme in den Nachkriegsjahren gleichsam ein kleines Rettungsboot für die Gottscheer zu finden, die zu ihren Leuten in Amerika drängten. Es gab doch noch ungezählte Nichtdeutsche, die der unselige Krieg und die Gewaltherrschaft entwurzelt hatten und die nun in geordneten Bahnen ihren alten oder neuen Lebenszielen zustrebten. Das Festbuch zum 25jährigen Bestehen des "Gottschee-Hilfswerks Relief Association Incorporation" schreibt unter anderem über die Anstrengungen, deren es bedurfte, um den Gottscheern gewissermaßen ein Mauertürchen in das Land der nun scheinbar wieder unbegrenzten Möglichkeiten zu öffnen:

"In der zweiten Hälfte des Jahres 1951 kam die Einwanderung jedoch vollständig ins Stocken. Dies bedingte eine Reise des Vertreters des Hilfswerks nach Europa, besonders nach Deutschland und Österreich. In dieser Zeit fand eine Konferenz für Flüchtlinge in Brüssel und eine Untersuchung in Frankfurt am Main statt, welche mit einer Milderung der bestehenden Verschärfungen endeten und somit wieder vielen Landsleuten die Einwanderung ermöglichten. Die Zusicherungen aus unseren Kreisen waren aber bereits erschöpft. Doch war unserer Vertretung bekannt, daß die N. C. W. C. bereit war, für 5000 Familien Zusicherungen zu garantieren. Ein Besuch bei Msgr. Bernas, dem Vertreter des Katholischen Hilfswerks, und ein dringendes Ersuchen ermöglichte es den Gottscheern, 500 von diesen Zusicherungen zu erhalten. Auch wurde unserem Vertreter gesagt, daß auf diese Zusicherungen bis 2000 Personen einwandern könnten.

Dieser, von der D. P. C. und N. C. W. C. befürwortete Besuch hatte ferner den Vorteil, daß die Gottscheer anerkannt und die schon lange vorliegenden Einwanderungsgesuche endlich bearbeitet wurden. Daraus ergab sich, daß im Jahre 1952 dann die größte Zahl an Gottscheer Einwanderern zu verzeichnen war. Am 31. August 1952 wurde die D. P. C. aufgelöst und nur vereinzelt kamen 1953 und in den nachfolgenden Jahren noch Gottscheer Einwanderer in die USA.

Der Großteil der Neueinwanderer ließ sich in jenen Städten Amerikas nieder, wo bereits Landsleute aus früheren Jahren ansässig waren. Die auf Bemühung des "Gottscheer Hilfswerks" unter der N. C. W. C. - Quote berücksichtigten Einwanderer landeten oft in entlegenen Gegenden. Jedoch auch diese fanden bald den Weg in die "Gottscheer Gemeinden". Allen war wieder Hilfe bereit und dankbar erinnert man sich noch jener Landsleute, die dem Neueinwanderer zum ersten "Job" verhalfen."

Die Gottscheer hatten das Glück, in jenen Jahren, deren unmenschlichen und materiellen Nöte nur mit systematisch eingesetzter Tatkraft zu bewältigen waren, eine Persönlichkeit von Format zu besitzen. Hinter dem Wort "unser Vertreter" versteckt sich niemand anderer als Adolf Schauer, die führende Kraft bei der Gründung des "Gottschee-Hilfswerks" und dessen erster Präsident. Er führte die im obigen Bericht angegebenen Verhandlungen und Besprechungen und ließ sich durch keine Widerstände beirren. Und er war es, der die Europareise nicht scheute, um möglichst vielen seiner Landsleute die Einwanderung in die USA zu ermöglichen. Adolf Schauer ist 1901 in Oberwarmberg geboren. Er wanderte 1920 in die Vereinigten Staaten aus und gründete in Ridgewood das heute noch bestehende Versicherungsunternehmen "Schauer Agency". Er gilt als der große, weise Mann der Amerika-Gottscheer. Seine Verdienste um sie und das gesamte Völkchen der Gottscheer besitzen innerhalb ihres Rahmens geschichtlichen Rang. Seine Landsleute wissen sie zu schätzen. Er ist Träger des Ehrenringes der Gottscheer Landsmannschaften und Ehrenpräsident der "Relief Association". Von amerikanischer Seite wurde ihm die "Bürger-Medaille" verliehen.
In seiner Person wurde aber auch das kleine Heer der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hilfswerks geehrt.

Gewiß haben die Alteinwanderer ihren nachrückenden Landsleuten geholfen, sich in dem Riesenland zurechtzufinden, gewiß haben sich in den hundert Jahren seit dem Beginn der ersten Auswanderungsphase die beruflichen, sozialen und menschlichen Verhältnisse in den USA zum Besseren gewendet, doch den letzten Einwanderern aus der früheren Sprachinsel Gottschee wurde die wohlorganisierte Starthilfe der großen Gemeinschaft der Amerika-Gottscheer zuteil. Sie aber waren nur deshalb imstande, den plötzlichen, umfangreichen Zugang an zumeist erwachsenen Menschen seelisch, wirtschaftlich und sozial zu verkraften, weil sie sich selbst auf diesen Lebensgebieten im Gleichgewicht befanden. Nur deshalb vermochten sie auch, tätige Aufnahmebereitschaft und nachbarschaftliches Entgegenkommen - beides ist wörtlich gemeint - zu üben. Weit mehr als 2000 schuldlos zerbrochene Schicksale unter eigenen Opfern zum Guten zu wenden, war ein menschlich imponierendes weiteres Hilfswerk, dessen tiefere menschliche Beweggründe nicht einfach zufällig vorlagen, sondern in Jahrhunderten gewachsen waren. Zweitausend sind für amerikanische Verhältnisse wenig, für die Gottscheer viel.

Inzwischen haben auch diese letzten aus dem "Ländchen" stammenden Einwanderer auf nordamerikanischem Boden endgültig Fuß gefaßt und sich in den "Way of Life" Amerikas eingefügt, sich aber auch in die Organisationen der Gottscheer eingegliedert. Allerdings haben auch sie erfahren, daß die USA zwar von den Einwanderern in ihr Land beim Betreten des amerikanischen Bodens nicht die Ablieferung des ererbten Volkstums verlangen, daß man sich aber nur durchsetzt, wenn man sich von der ersten Stunde an anpaßt.

Als die Reisedauer über den Atlantik auf Stunden zusammenzuschrumpfen begann, setzte bei den Amerika-Gottscheern eine neue, die allerletzte Wanderung ein: Sie flogen in den Sommermonaten zu Hunderten nach Europa, mit Linienflugzeugen und mit Chartermaschinen. Zuerst kamen die Auswanderer zwischen den beiden Weltkriegen. Sie überzeugten sich mit Genugtuung, welchen Segen das "Gottschee-Hilfswerk" und alle seine Mitarbeiter gestiftet hatten und daß sie nicht vergessen waren. Aber Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre mehrten sich die Europafahrer aus der Gruppe der Auswanderer der beginnenden fünfziger Jahre. Die Lager waren längst geräumt. In den europäischen, namentlich in deutschen Städten zeugten nur noch wenige Baulücken von der überwundenen Katastrophe. Gewiß hatten nicht alle ihre Landsleute Anteil am Wirtschaftswunder Deutschlands und Österreichs, doch es war von Staats wegen für alle gesorgt, die Vermögenserstattung war im Gange, die Alten erhielten ihre Renten, der Prozentsatz der Autobesitzer war auch unter den Gottscheern schon damals beträchtlich. Die arbeitsfähigen Gottscheer und Gottscheerinnen hatten sich gleich den Balten, den ostdeutschen Vertriebenen, den Sudetendeutschen, den Südtirolern, den Deutschen aus dem Donau-Karpaten-Raum in den Wiederaufbau der Volkswirtschaften in Österreich und Deutschland eingegliedert.

- Eine scheinbar nebensächliche Beobachtung am Rande: Die Amerika-Gottscheer flogen und fliegen zumeist mit einer weltweit bekannten deutschen Fluggesellschaft. Die Europa-Reisenden aus der früheren Sprachinsel Gottschee haben für europäische Begriffe lange Strecken zu überwinden bis sie die Verwandten, Jugendfreunde und Nachbarn besucht haben, denen die lange See- und Luftreise hauptsächlich gilt.
Doch die "Amerikaner", wie die Gottscheer ihre Landsleute von "drüben" nennen, sind ja lange Reisestrecken gewöhnt. In der Republik Österreich decken sich die aus menschlichen Gründen angesteuerten Reiseziele sehr oft mit dem Wunsch, eine bestimmte Stadt zum ersten oder zum wiederholten Male zu sehen, etwa Wien oder Graz, die für die Gottscheer - das gilt natürlich nicht nur für sie - schon in der Zeit der alten Monarchie eine magische Anziehungskraft besaßen. Dort gab es schon im 19. Jahrhundert seßhafte Gottscheer, doch eine allgemeine Gottscheer Vereinigung entstand trotzdem nicht. Erst 1891 wurde der "Verein der Deutschen aus Gottschee in Wien" ins Leben gerufen. Das heißt, die erste, jedermann zugängliche Organisation von Gottscheern außerhalb des "Ländchens" wurde in den Vereinigten Staaten gegründet, eben der erwähnte "Erste österreichische Unterstützungsverein" in Cleveland/Ohio. Sein Gründungsjahr ist 1889. -

Wenn Klagenfurt in den Reiseplänen auftaucht, so nicht einmal so sehr wegen persönlicher Besuche, sondern, weil diese Stadt zum Zentrum der Exilkultur der Gottscheer geworden ist. Davon wird noch ausführlich zu sprechen sein. Linz und Salzburg, weniger Innsbruck, weisen seit den fünfziger Jahren ebenfalls nicht unbeträchtliche Gruppen von Gottscheern auf, die naturgemäß jedes Jahr eine Anzahl von "Amerikaner" an sich ziehen.

Als die ersten, vereinsgewohnten Amerika-Gottscheer in Europa eintrafen, fanden sie nur Ansätze organisatorischer Zusammenschlüsse ihrer Landsleute in Österreich und Deutschland. Während in Wien, Graz und Klagenfurt nur die alten Vereine wiederbelebt wurden, war in Deutschland nirgends ein Ansatz aus früherer Zeit gegeben.

("Jahrhundertbuch der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980)

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