Die Kirchen in Gotsche, Pölan, Costel, Ossiwnitz und Gotenitz, Josef Erker,
Pfarrer in Mösel, 1930.



Der Grundherr Otto von Ortenburg ließ es bei den bisherigen langsamen und spärlichen Besiedelungen nicht bewenden. Um das ganze große Gottscheer Gebiet der Kultur und Nutzbarmachung zuzuführen, sorgte er für noch größere Zuzüge von Kolonisten aus deutschen Landen.

Am Feste Pauli Bekehrung, am 25. Jänner des Jahres 1348 war in Krain, Kärnten und Steiermark ein so starkes Erdbeben, daß 26 Städte und Dörfer, viele Kirchen und 40 Schlösser zerstört wurden und die einstürzenden Mauern viele Menschen begruben. Das Erdbeben hörte nicht auf an dem Tage, sondern dauerte noch 40 Tage nacheinander und auch oft noch in den folgenden zwei Jahren. Die furchtbare Gewalt des Erdbebens schilderte der Chronist mit den Worten: Terrae motus tantus, qui a Passione Christi nunquam auditus vel visus est = Das Erdbeben war so stark, wie ein solches seit Christi Leiden niemals ist gehört oder gesehen worden.

Welch furchtbare Heimsuchung Gottes auch für die Gottscheer Ansiedler! In den rauschenden und vom Erdbeben erschütterten Wäldern war kein Schutz mehr für sie. Die Riesenbäume stürzten aufeinander oder sanken in die eingebrochenen Erdtiefen und Mulden. Die wilden Tiere liefen in größter Angst und Schrecken, heulend und Schutz suchend, Tag und Nacht durch die Wälder und bis zu den Wohnungen der Kolonisten. Hier lebten nun die Ansiedler während der ganzen Erdbebenzeit in steter Lebensgefahr und wie in einer Gefangeneschaft. Aber, gottlob, die Blockhäuser waren fest gefügt, sie krachten zwar in ihren Fugen und wankten wohl, hin und her, aber, da sie aus starken Holzstämmen aufgebaut waren, hielten sie selbst dem stärksten Beben stand, uns so waren ihre Bewohner sicher geborgen. Auch ihr Kirchlein in Mooswald, aus Holz gebaut, wird erhalten geblieben sein. In Hilfe- und Dankesrufen schickten die Kolonisten ihre Gebete zum Himmel und gelobten sicherlich dem guten Gott, für seinen Schutz treuer und gewissenhafter zu dienen als bisher.

Nach dem Erdbeben kam eine nicht minder furchtbare Plage. Dr. Weiß schreibt in seiner Weltgeschichte: "Verhängnisvoll für die ganze Menschheit war das Jahr 1348, das mit einer Reihe von Erdbeben von unerhörter Stärke begann, die ganz Europa erschütterten, Tausende und aber Tausende unter hinstürzenden Häusern erschlugen und die beunruhigendsten Folgen hatte. Dann kam die Pest über Indien, Persien, Armenien, Syrien, Egypten, Kairo, Sicilien, Pisa, Genua, Italien, stieg über die Alpen, verheerte 1348-1350 alle Länder Europas, selbst Irland, selbst Grönland. Die Krankheit hieß der schwarze Tod von den schwarzen Flecken oder Beulen auf der Haut, in denen sich der kalte Brand verriet. Über die Hälfte der Menschen in Krain und Mitteleuropa wurde hinweggerafft."

Nun stellen wir die Frage: Hat die Pestseuche auch unter den gottscheer Ansiedlern gewütet? Eine geschichtliche Antwort darauf haben wir nicht. Die Möglichkeit, daß die Pestseuche in das fast von aller Welt abgeschlossenen Rodungsgebiet nicht eingedrungen ist, kann nicht abgewiesen werden, weil es auch anderswo Gegenden gab, welche von derselben nicht berührt worden sind. In diesem Falle hätte das Gottscheer Land bei den Heimatgenossen in den deutschen Landen den Ruf eines gesunden Landes bekommen und viele von ihnen zur weiteren Besiedlung herbeigeführt. Oder das unglückliche Schicksal hat auch die Ansiedler getroffen und auch ihre Reihen zur Hälfte gelichtet. Und so mußten vom Grundherrn wieder neue Kolonisten mit oder gegen deren Willen herangezogen werden. Und die Zuzüge waren so zahlreich aus jenen Gegenden, welche ganz oder teilweise von der Pestseuche verschont geblieben sind, nämlich: Bayern, Franken, Thüringen, Schwaben, Nordgau, Ostsachsen, Ostböhmen, Schlesien, so daß bald das ganze Gebiet seine Ansiedler erhielt, und diese aus eigenem Antriebe und unter Mithilfe der Grundherrn neue Kirchen bauten.

Darüber gibt uns sicheren geschichtlichen Aufschluß die Urkunde des Patriarchen Ludwig II. della Torre von Aquileja, datiert vom 1. Mai 1363, welche im Original im Wiener Hof- und Staatsarchiv aufbewahrt ist und aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt, folgenden Wortlaut hat: "Wir Ludwig, von Gottes Gnaden Patriarch von Aquileja, wollen zum ewigen Gedächtnis überliefern, es sei zu unserer Kenntnis gelangt, daß in einigen Hainen oder Wäldern innerhalb des Sprengels der Seelsorgskirche des heiligen Stephanus in Reifnitz, unsere Diözese Aquileja und in deren Seelsorge oder Pfarre gehörig, welche unbewohnbar und unbebaut waren, viele menschliche Niederlassungen entstanden sind, auf welche Weise die Haine und Wälder in Ackerland umgewandelt worden sind und eine nicht geringe Menge Volkes dort zusammengekommen ist, um daselbst zu wohnen. In diesen Orten sind nun durch die Einwohner daselbst zur Ehre Gottes und der glorreichen Jungfrau Mutter und zum Troste des genannten Volkes und ihrer Nachkommen und zur Vermehrung der Frömmigkeit einige neue Kirchen gebaut worden (de novo quaedam ecclesiae constructae sunt), nämlich in Gotsche, Pölan, Costel, Ossiwnitz und Gotenitz... unter Zustimmung und Mitwirkung des Grafen Otto von Ortenburg, in dessen Herrschaft und Gerichtsbarkeit jene Gegenden (territoria) liegen. Wir gestatten nun dem genannten Grafen im eigenen und im Namen unserer Nachfolger, der Patriarchen, geeignete Priester in jene Kirchen einzusetzten und zu ernennen. Und wir beschließen und wollen, daß die Präsentation dieser Priester dem genannten Grafen und seinen Erben zustehen solle, ihre Bestätigung in den genannten Kirchen, nämlich Gotsche, Pölan, Costel, Ossiwnitz und Gotenitz aber dem jeweiligen Pfarrer in Reifnitz. Gegeben in unserer Burg zu Udine, am 1.Mai 1363."

Laut dieser geschichtlichen Urkunde war der ganze Gottscheer Boden, die Gegend von Pölland, die Gegend von Kostel und Kulpa, die Gegend von Ossilnitz und das ganze Gottscheer Hinterland seit dem Jahre 1348, dem Jahre des großen Erdbebens und der schrecklichen Pestseuche bereits so zahlreich bevölkert und besiedelt, daß die Kolonisten unter Mitwirkung des Grafen von Ortenburg neue Kirchen bauten, und neue Seelsorgestationen errichtet werden mußten.

Welches sind nun diese Kirchen und Seelsorgstationen?


1. Die Kirchen in Gotsche.


Die Lokalkaplanei Gottschee erstreckte sich seit der Ansiedlung eines selbstständigen Seelsorgers an der St. Bartholomäuskirche in Mooswald über das ganze Gottscheer Tal und umfaßte somit ein sehr großes Gebiet. Von ihr aus erhielten von Anfang an alle Kolonisten auf dem Gottscheer Boden ihre Seelsorge.

Laut Urkunde vom Jahre 1363 wurden auch in der Gegend Gottschee neue Kirchen gebaut. Diese können keine anderen sein als die in Mösel, Nesseltal und Altlag, welche Gebiete damals alle auch zur Seelsorgestation Gotsche gehörten und infolge der starken Vermehrung der Bevölkerung ebenfalls eigene Lokalkaplaneien erhielten, wovon später noch die Rede sein wird. Die erste neue Seelsorgekirche in Gottschee war, wie im Anfange alle Kirchlein, ein Holzbau und klein, nur eine Kapelle. Sie genügte der zahlreich gewordenen Bevölkerung nicht und wurde, wie wir laut Urkunde vom Jahre 1363 annehmen dürfen, abgetragen und an ihrer Stelle die zweite neue größere Kirche gebaut, und zwar wahrscheinlich aus Stein. Die damalige Zeit trug einen durchaus christlichen Charakter, und das wahre und echte Glaubensleben stand in den christlichen Ländern, besonders in den deutschen, seinen begeisterten Ausdruck vornehmlich in der Erbauung unzähliger Kirchen. Diese Begeisterung nahmen die Kolonisten mit aus ihrer deutschen Urheimat, wo sie schon große, schöne, aus Stein gebaute Gotteshäuser hatten, und bauten nun auch in der neuen Heimat viele schöne Kirchlein, so daß die obgenannte Urkunde von einigen neugebauten Kirchen in Gotsche, Pölan, Costel, Ossiwnitz und Gotenitz berichten kann.

Seit den ältesten Zeiten war es christliche Gewohnheit und Einführung, um die Seelsorgekirchen die Friedhöfe zu errichten. In der Urkunde vom Jahre 1339 werden Kapelle und Friedhof zusammen genannt: "sobald der Friedhof derselben Kapelle geweiht sein wird". Somit kann auch der Bau der zweiten Kirche in Gottschee an der Stelle der ersten angenommen werden, nämlich dort, wo die jetzige Friedhofskapelle mit dem städtischen Friedhofe sich befindet. Bei der ersten und zweiten Kirche entwickelte sich die Ansiedlung zu einem großen Dorfe und im Jahre 1377 zum Markt in der Gottschee. Die erste geschichtliche Notitz nach dem Bau der zweiten Kirche gibt uns die Urkunde vom 28. Oktober 1393, laut welcher Gräfin Agnes von Ortenburg, Witwe des Eberhard von Walsee, im St. Bartholomäus-Gotteshause für ihr und ihrer Nachkommen Seelenheil eine Stiftung machte im Betrage von 30 Mark Pfennig, welche ihr Bruder, Bischof Albrecht von Trient, und ihr Vetter, Graf Friedrich von Ortenburg, jährlich auszuzahlen hatten.

Die Namen der ersten Seelsorger in Gottschee sind uns nicht überliefert. Erst im Jahre 1563 wir der Leutpriester Hermann (plebanus Hermann) genannt, welcher wahrscheinlich ein Gottscheer gewesen sein dürfte.


2. Die Kirchen in Pölan, Costel, Osiwnitz.

Die Urkunde vom Jahre 1363 stellt diese drei Gegenden bezüglich der Kolonisierung und Bau von neuen Kirchen und Gründungen von selbständigen Kaplaneien auf eine Linie mit Gottschee und Göttenitz. Es sind demnach auch in diese Gebiete deutsche Kolonisten verpflanzt worden zu gleicher Zeit wie in die Gegend Gottscheee und sind dort ebenso neue Kirchen und Seelsorgestationen entstanden. Das deutsche Kolonisationsgebiet erstreckte sich damals schon von Schweineberg-Mitterdorf bis an die Kulpa und Cubranka.

Im alten Urbar steht geschrieben: "Aus den Dörfern der Moßler Pfarr, als Graflinden, Prelibl und Teitschau, gehört dem Pfarrer von Pölland der dritte Teil des Zehnandts, auch Huenner-Schilling aus dem Urbar 12." Aus diesem Berichte können wir schließen, daß diese Gegenden einstmals zur Pfarre Pölland-Altenmarkt gehört hatten, welche Pfarre in der Geschichte schon im Jahre 1248 gegründet erscheint. Es dürften also die genannten Dörfer und auch Unterlag samt Umgebung bis zur Kulpa und wahrscheinlich noch einzelne Ortschaften des Pöllander Tales zu jenen Niederlassungen gehören, welche nach der Aquilejer Urkunde des Jahres 1363 als neue Siedlungen in der Gegend von Pölland erwähnt werden und in welchen neue Kirchen gebaut worden sind. Unter diesen neuen Kirchen wäre die Kirche in Unterdeutschau und vielleicht auch schon die in Unterlag zu nennen. Doch Seelsorgestationen wurden da nicht errichtet.

In gleicher Zeit erhielten die Gegenden Costel und Ossiwnitz deutsche Ansiedlungen und neue Kirchen, an denen frühzeitig Lokalkaplaneien gegründet wurden, denn schon 1383 wir in Costel Heinzlinus, curatus de Fara, erwähnt. Das Deutschtum in Pölan, Costel und Ossiwnitz erhielt sich nur bis zu den Türkeneinfällen. Durch die Gereuel der Türkenkriege wurde die ursprünglich deutsche Bevölkerung dortselbst völlig ausgerottet und wurden dann die Herrschaften Pöllan und Costel und die Gegend Ossiwnitz mit Uskoken neu besiedelt. Nur in den Gegenden Unterdeutschau und Unterlag wurde das deutsche Volkstum erhalten.


3. Die Kirchen in Gotenitz.

Die Urkunde vom Jahre 1363 führt das Gottscheer Hinterland für sich selbständig, getrennt von Gotsche unter dem Gegendnamen Gotenitz an. Demnach wurde diese Gegend nicht gleich von Anfang an zu Gottschee gerechnet, sondern erst später. Göttenitz dürfte nach Gottschee eine der allerältesten Siedlungen sein, denn schon in frühester Zeit führte ein Saumweg von Reifnitz über Göttenitz nach der Burg Costel. Bei der großen deutschen Einwanderung wurde die ursprünglich kleine slowenische Ansiedlung überwiegend deutsch. In Göttenitz wird bald nach der deutschen Besiedlung ein Kirchlein gebaut worden sein.

Die Hauptsiedlung vollzog sich aber in der Gegend Rieg und wurde Rieg auch der kirchliche Mittelpunkt für die ganze Gegend Rieg, Göttenitz und Morobitz. Nach dem Jahre 1363 erhielt Rieg an seiner neuerbauten Kirche ebenfalls einen selbständigen Seelsorger unter der Seelsorger-Oberhoheit von Reifnitz wie Gotsche. Dieser dürfte der Leutpriester Melchior gewesen sein, denn im Jahre 1375 wird er als Seelsorger an der Lokal-Kaplanei an der Riegg genannt und wahrscheinlich im Jahre 1375 gestorben sein.

Vom Jahre 1377-1414 nämlich war Seelsorger in Rieg (Gotenitz an der Riegg) Martin Zink. Dieser stammte aus Memmingen in Schwaben, von wo er als Schreiber der Herzogin von Teck, welche sich mit dem Grafen Friedrich von Ortenburg, dem Besitzer der Schloßherrschaft in Reifnitz und Ortenegg, vermählt hatte, ins Land kam. Beim Freiwerden der Seelsorgestelle in Rieg, wahrscheinlich durch das Ableben des Lokal-Kaplans Melchior, ließ die Gräfin-Herzogin Teck den Martin Zink zum Priester weihen und an der Seelsorgekirche in Rieg anstellen. Die Geschichte bemerkt, daß Martin Zink als Seelsorger unter seine Landsleute kam, welche aus Schwaben und Franken eingewandert waren, und wahrscheinlich noch manchen der ursprünglichen schwäbischen Ansiedler am Leben gefunden habe. Sein Neffe Burkhard Zink kam zu ihm nach Rieg, besuchte die Schule in Reifnitz und schreibt in seiner Chronik: "Mein vater hett ainen leipschen Brueder, der war pfarr in ainem Dorf, genannt an der Riegg, das ist ein groß schön Dorf und gehören wohl fünf ander Dörfer darzu".

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