4. Bilanzen des Stabshauptamtes

Die erste offizielle Bilanz des Stabshauptamtes - enthalten in einem Bericht an HIMMLER - ist schon wegen des Termins ihrer Abfassung besonders pikant: sechs Tage nach LAMPETERS Brief an HIMMLER und einen Tag vor LAMPETERS Absetzung wurde dieser Bericht ins Führerhauptquartier an HIMMLER geschickt (26).

Im kurzen statistischen Teil beruhte das im Stile der Erfolgsmeldung abgefaßte Expose auf den Untersuchungen der EWZ. Zum "Stand der Umsiedlung" wurde angemerkt, sie stehe kurz vor dem Abschluß. Bis zum 1. Januar 1942 seien bereits rund 9000 Personen (d. h. mehr als dreiviertel der Bevölkerung) umgesiedelt gewesen, die Ansiedlung in der Untersteiermark gehe reibungslos vor sich, da durch das "energische Eingreifen von SS-Oberführer HINTZE" das für die Gottscheer vorgesehene Gebiet fast geräumt sei. Die Ansiedlung erfolge zwar mit Vorbehalt, doch sei die endgültige Planung mit Beginn der Frühjahrsbestellung abgeschlossen (27).

Die "allgemeine Lage und Stimmung bei den Volksdeutschen" sei als gut zu bezeichnen, da infolge eines selbstverständlichen Volkstumsbekenntnisses in der Gottschee,
die eine geschlossene deutsche Besiedlung habe, die Schwierigkeiten, bedingt durch die Unsicherheit im Lande und durch das lange Warten, verhältnismäßig leicht überwunden worden seien.

Hervorgehoben wird auch die gute organisatorische Vorbereitung der Umsiedlung seitens des Volksgruppenführers SCHOBER und des Mannschaftsführers LAMPETER. Nebenher wird in Parenthese angedeutet, daß nach Abschluß der Umsiedlung die Führung der Volksgruppe mit Einverständnis des Stabshauptamtes an LAMPETER übertragen werde.

Diese Harmonie vortäuschende Berichterstattung wird nur im nächsten Absatz unterbrochen, in dem "gewisse Spannungen" zugegeben werden, die jedoch durch den folgenden Vergleichssatz "wie sie in allen deutschen Volksgruppen zu finden sind" gleich bagatellisiert werden. Diese Linie wird fortgesetzt in der Formulierung "daß zunächst einige deutsche Menschen ... bei der Option abseits gestanden seien"; denn einige spielen bei der die Quantität betonenden Statistik eigentlich keine Rolle. Trotzdem wird betont, daß um jeden Tropfen "deutschen Blutes" gerungen worden sei; denn auch diese wenigen "konnten durch das Eingreifen des DUB in Laibach, Dr. WOLLERT, und des besonders nach Gottschee entsandten Vertreters des Stabshauptamtes, SS-Hauptsturmführer Dr. STIER . . . fast ausnahmslos gewonnen werden." Versteckt wird an dieser Stelle das Eigenlob angebracht; denn der vom Chef des Stabshauptamtes unterzeichnete Bericht war von Dr. STIER ausgearbeitet worden. - Auch der EWZ wurde beifällig gedacht: "Propagandistisch sehr wirksam war auch der vorbildlich eingerichtete EWZ-Zug". Ganz beiläufig wird jedoch auch ein wesentliches Motiv für die Umsiedlungswilligkeit der Gottscheer erwähnt. "Erleichternd wirkte, daß in diesem geschlossenen Siedlungsgebiet die Zögernden sich vor die Tatsache gestellt sahen, daß all ihre Nachbarn, Verwandten und Bekannten optierten."

Dagegen läßt der abschließende Vergleich mit den Umsiedlungen im Osten sowohl die psychologische und organisatorische Leistung des Stabshauptamtes und der ihm nachgeordneten Dienststellen als auch die "volkspolitische" Haltung der Gottscheer in hellstem Glanze erstrahlen; denn - so wird ausgeführt - die Voraussetzungen für ein positives Optionsergebnis seien in der Gottschee ungleich schlechter gewesen als im Osten, "wo der Druck der Bolschewisten unmittelbar oder mittelbar auch den letzten Zögernden zur Umsiedlung trieb." Trotzdem seien die Optionsergebnisse um rund 10% höher als die vorausgegangenen Schätzungen. Hinzu komme, daß die Umsiedlung auch technisch schwieriger sei als in den Ostgebieten. Dennoch sei die Haltung der Gottscheer gut, weil man Anfangsschwierigkeiten habe vermeiden können.

Dieser zur Schau getragene Optimismus erscheint geradezu als unverfroren angesichts der Tatsache, daß zehn Tage vorher ein Vertreter der Volksgruppe gravierende Beschwerden wegen der Mängel bei der Um- und Ansiedlung in der RKFDV-Zentrale vorgetragen hatte und SS-Oberführer HINTZE, der die Situation im Ansiedlungsgebiet aus eigener Anschauung kannte, die dortigen Zustände mit dem bezeichnenden Ausdruck "Sauladen" (28) in massiver Form kritisiert hatte.

Das Herunterspielen aller aus nationalsozialistischer Sicht negativ zu deutenden Erscheinungen zeigt deutlich, wie stark auch das Stabshauptamt unter dem Zwange stand, allen Berichten nach oben - an HIMMLER - den Charakter von Erfolgsmeldun
gen zu verleihen, um überhaupt vor dem "Chef" bestehen zu können; von daher ist auch der Tenor des Berichtes zu verstehen: eine möglichst hohe Optionszahl zu melden und dies als Erfolg zu deuten; darüber hinaus beides konsequenterweise mit den hervorragenden Leistungen der an der Umsiedlung beteiligten Diensstellen und Persönlichkeiten zu begründen.

Bilanz "Für die Presse" (29): Das vom Stabshauptamt für die Presse bestimmte Expose, in dem der Autor sich auf die Ergebnisse der EWZ beruft, setzt euphemistische Akzente. Der Verfasser kennt das Vorurteil, das viele Reichsdeutsche gegen die Gottscheer Hausierer haben, doch der eine Satz, in dem diese bekannte Tätigkeit der Gottscheer erwähnt ist, wird eingerahmt von zwei Aussagen, die das Hausieren als einen winzigen Fleck auf einer sonst blütenweißen Weste erscheinen lassen: "... daß es sich bei der Gottscheer deutschen Volksgruppe um einen in jeder Hinsicht wertvollen Zuwachs der deutschen Reichsbevölkerung handelt" und "Das Bild der Volksgruppe steht hinter den bisher umgesiedelten Volksgruppen in keiner Weise zurück, übertrifft sie vielmehr in positivem Sinne in mancher Beziehung."

Doch es bleibt nicht bei diesem allgemein gehaltenen Lob; es folgen zwei weitere gerade für nationalsozialistische Maßstäbe wichtige Fakten:

1. "Der gesundheitliche Stand der Gottscheer ist besser als im Reich."
2. "In volkspolitischer Beziehung ist die Volksgruppe seit rund zwei Jahren vorbildlich organisiert .. . Die Volksgruppe wurde systematisch durch Veranstaltungen, Lehrgänge und Einzelbetreuung im nationalsozialistischen Geiste geschult."

Noch klarer soll den Reichsdeutschen der Leistungsstand der Gottscheer durch statistische Vergleiche werden:

1. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen bis zu 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung beträgt in der Gottschee 41,6%, im Reich nur 31,9% das heißt: die Gottscheer übertreffen die Reichsbevölkerung an Kinderreichtum.
2. Dieser günstige Bevölkerungsaufbau wirkt sich in der "durchschnittlichen Kopfzahl je Herdhaltung aus, der bei den Gottscheer Deutschen bei rund 4,0 liegt, während sie im Altreich (30) nur 3,5 beträgt."
3. Besonders wird der "Zuwachs an wertvollem deutschen Bauernblut" akzentuiert: in der Gottschee sind 78,2% in der Landwirtschaft tätig, im Reich nur 27,3%. Damit ist das krönende Resümee für den Verfasser anscheinend genügend untermauert:

"Der für die Gottscheer vorgesehene Boden in der südöstlichen Ecke der Untersteiermark wird daher einerseits die Gottscheer befriedigen. Andererseits werden sich aus der Besiedlung dieses Gebietes erfreuliche Auswirkungen für die ganze Steiermark ergeben."

Die Gottscheer werden zufrieden sein, der Ansiedlungsgau darf sich glücklich schätzen; die Darstellung allgemeiner Harmonie rundet das Bild ab.

Vergleicht man die umfassenden statistischen Ergebnisse der EWZ mit diesem Bericht, dann bedarf es keines weiteren Kommentars.

Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

26  
Bericht über die Umsiedlung der Volksdeutschen aus der Provinz Laibach vom Chef des Stabshauptamtes, GREIFELT, an den Reichsführer-SS vom 15. 1. 1942; Handakte Dr. Stier.

27
 s. u. S. 143.

28
 Gedächtnisschrift von LAMPETER vom 9. 2. 1942; BA NS 21/160.

29
 "Für die Presse" vom 19. 12. 1941; NAW Roll 306, frame 2433995 ff.

30
 Es entzieht sich der Beurteilung, ob hier der Ausdruck "Altreich" bewußt als Stilmittel verwendet wurde, um dagegen die größere völkische Kraft der jungen Deutschen des "Neuen Reichs" zu suggerieren, oder ob hier nur unbewußt ein Fachterminus des Stabshauptamtes eingeflossen ist.

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