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Die
Stadt Gottschee und der Friedrichstein, Dr. Hugo Grothe, 1931
Voller Spannung bin ich, welche Bilder und Lehren mir der erste Besuch der
Gottscheer Sprachinsel mit ihren 178, zur Mehrzahl geschlossenen deutschen
Dorfschaften bringen wird. Mit dem Abendzuge bin ich von Laibach her nach
dreieinhalbstündiger Fahrt im Städtchen Gottschee, dem wirtschaftlichen
und geistigen Zentrum des Gottscheer Ländchens, als dem Endpunkte der
75 Kilometer langen südkrainer Stichbahn, bei völliger Dunkelheit
eingerückt. Es war ein langes Stolpern, vorbei an hochgetürmten
Haufen zur Verladung bereit liegender Bretter, der Ausbeute des
reichen Gottscheer Waldbodens, durch die ungepflasterten Gassen der zum
Bahnhofe nordwärts sich ziehenden Vorstadt, bis ich zu dem mir empfohlenen
behaglichen "Gasthaus zur Sonne" mich gefunden hatte.
Das Sonnenlicht eines hellen Herbstmorgens leuchtet über einige einstöckige
gefällige Landhäuser Gottschees und über das Stück des
städtischen Straßenzuges, das ich vom Fenster meines Zimmers
vor Augen habe. Zwischen den Gärten erfaßt das Auge gen Osten
einen weit sich streckenden, mit Obstbäumen und allerlei Niederholz
dünn bestandenen Wiesenplan und hinter ihm am Rande des Beckens von
Gottschee dunkle, lang sich dahinziehende Berglinien, die den Rücken
des Hornwaldgebirges angehören. Dessen gewärtig, was der erste
Spaziergang zeigen wird, schlendre ich durch das schon auf den ersten Blick
vertraut anmutende Städtchen.
Stadtplan Gottschee
Hoch und wuchtig stehen die beiden Türme und der breite Dachgewölbebau
der vor einem Jahrzehnt im romanischen Stil nach den Plänen des Wiener
Dombaumeisters Schmidt erbauten Stadtpfarrkirche am Ufer der "Rinnsche",
die hier das Stadtfeld durchschneidet. Hell und weit hallend schlägt
die Glocke die
neunte Morgenstunde eines sonnigen Oktobertages. Vom nahen Windischdorfer
Nock im Nordwesten kommend, beschreibt der Rinnschefluß einen Halbbogen
um die Siedlung und verliert sich dann in die südostswärts breiter
ausladende Talfurche von Gottschee. Harmlos sieht das langsam dahinziehende
Wässerchen aus. Aber wie alle Karstwasser kurzen oberirdischen Laufs,
reckt es sich nach anhaltenden Regengüssen des Frühjahrs und Herbstes
mächtig aus seinem Bett und umleckt arglistig Gärten und Häuser
der Stadt.
Sind die Sauglöcher verstopft, in die nur wenige Kilometer unterhalb
Gottschee die Rinnsche zu unterirrdischem Lauf verschwindet, so bilden die
tieferen Teile des oberen Talkessels einen gewaltigen See. Wollen einige
Wortdeuter von dieser Naturerscheinung doch den Namen "Gottschee"
herleiten, indem sie in ihm eine Zusammensetzung des Personennamens God
oder gar der zu Zeiten der Völkerwanderungen die Landschaften am Fuße
der Ostalpen streifenden "Gothen" mit dem Worte See vermuten.
Denn die Gottscheer sprechen das s wie sh aus, reden also in ihrer Mundart
von einem "Sh"eab.
Es ist heute gerade großer Markttag, für die Sprachinsel ein
nur einmal im Monat sich zutragendes, wichtiges Ereignis. Die Straßen
füllen sich mit Bauern, die aus allen Gauen und Dorfschaften des Gottscheer
Landes herbeiströmten. Es sind große hagere, sehnige Männergestalten
mit wettergebräunten, stark durchfurchten Gesichtern. Die Frauen und
Mädchen zeigen meist mittelgroße Statur und einen festen, ja
derben Schritt, der auf
ihr häufiges Wandeln auf fleißig bestellter Ackerkrume und auf
steinigen Bergpfaden hinweist. Ihr Antlitz, mehr regelmäßig und
ruhig als anmutig und lebhaft, verrät frühes Altern im Gefolge
harter ländlicher Arbeit.
Ein- und zweistöckige Häuser mit primitiv bürgerlichen Ladenauslagen
und schmalen Fensterfronten in den oberen Geschossen umfassen den "Hauptplatz",
die eigentliche Marktstraße, die zum Schloßbau führt und
sich jenseit eines wuchtigen alten Torbogens in gleichem Kleinstadtcharakter
als baumumhegter (ehemaliger Auerspergplatz, heute) Alexanderplatz fortsetzt.
Ein hoher massiger Bau mit 5 bis 6 Meter dicken Mauern und mächtigem
Innenhof, den zweistöckige Galerien umschließen, ist es, der
hier Hauptplatz und Auerspergplatz flankiert.
Die heutige Fürstenfamilie der Auersperger, die schon als Grafengeschlecht
im Jahre 1641 das achtzehn Jahre vorher zur Grafschaft erhobene Gottscheer
Gebiet kaufweise aus den Händen der Freiherren von Khysel übernahm
und vom Kaiser Leopold II. 1791 die Erhebung desselben zum Herzogtum erlangte,
ist noch heute Eigentümer des Schlosses. Von allen Schicksalen des
Gottscheer Landes war denn seit dem 13. Jahrhrundert dieser mittelalterliche
Bau ein stummer Zeuge. Er wird auf derselben Stelle aufgerichtet sein, wo
Kaiser Friedrich nach dem schweren
Türkeneinfall von 1469 die Aufführung einer Veste gegen die Türken
in jener Urkunde von 1471 anordnete, mit der er den Markt Gottschee zur
Stadt machte.
An die Tore des Gottscheer Schloßkastells brandeten die wutentflammten
Scharen der Gottscheer Bauern, die im Jahre 1515 sich gegen die grausamen
Plackereien und Erpressungen des damaligen Inhabers der Herrschaft Gottschee,
des Grafen Jörg v. Thurn, und seiner Schinderknechte empörten,
das erste Aufflackern der späteren blutigen Bauernaufstände auf
deutschem Boden. Und in dem Schloß der Auersperger (Valvasor erzählt
im XI. Buche, daß die Auersperger die Burg "vor einigen Jahren"
erbauten, also um 1680.) wohnte 1809 bis 1813 die Hauptmasse der französichen
Truppen, die hier einzogen, als Napoleon kraft des Friedensvertrages von
Schönbrunn (14. Oktober 1809) aus Westteilen Österreichs einen
ihm untertänigen Staat Illyrien geschaffen hatte. Auch gegen diese
Unterdrücker machte sich die Empörung der Gottscheer in einem
heldenmütigen, leider vergeblichen Aufstand Luft, der von einer über
Nacht mit alten Flinten und Sensen aus den Dörfern herbeiströmenden
Bauernschar getragen wurde.
Vor den Mauern des Schlosses wurden damals die Rädelsführer der
Erhebung gegen drückende Fremdherrschaft durch französische Kugeln
niedergestreckt. Das Heimatlied der Gottscheer "Die Wacht an der Kulpa"
gedenkt dieses blutigen Ereignisses wie der aufreibenden, durch mehr als
ein Jahrhundert (1649-1584) geführten Kämpfe gegen die türkischen
"Renner und Brenner", die aus Kroatien und Bosnien über die
Kulpa gegen die Städte und Fruchtebenen am Süd- und Südostfuße
der Julischen Alpen vorbrachen, mit den Worten:
"Osmanenblut, Franzosenblut
Hat unser Land gefärbet."
Die Herren des neuen Slowenien verboten 1925 die künftige Absingung
des Liedes, weil durch solche Worte "eine dem Südslawenstaat freundlich
gesinnte Nation verächtlich gemacht" werde. So hat ein wackerer
Gottscheer Pfarrer namens Josef Erker eine neue Gottscheer Hymne gedichtet,
die ohne Nennung einer "den Slowenen befreundeten Nation" in nicht
minder herzhafter Art als die seinerzeit vom Schulrat Obergföll verfaßten
Verse den Rodungsmut der Gottscheer kündet und sie mit folgenden Schlußstrophen
zur Treue an ihrem Volkstum mahnt:
"So war es durch sechshundert Jahr,
Soll es nun anders werden?
0 nein! Der liebe Gott bewahr'
Deutsch unsrer Heimat Erden!
Ihr Brüder, hebt die deutsche Hand,
Bekennt die deutsche Sache,
Bewahret das Gottscheer Land,
In treuer, deutscher Wache!"
Die Stadt Gottschee liegt im nördlichen Teile der größten
Talung des Gottscheer Hochlandes. Friedlich und anmutig bettet sie sich
zwischen Wiesen und Gärten und hat im Westen den dichtbewaldeten Friedrichstein
und den Burgernock als mächtige dunkelgrüne Kulissen hart zur
Seite. Über eine ansehnliche Fläche legt sich die Stadt rechteckförmig
von Nordwest nach Südost. Die neuen Stadtteile am Bahnhofe, bis zur
Eingemeindung im Jahre 1896 den Dorfschaften Grafenfeld und Hutterhäuser
zugehörig, reichen im Westen bis an die Ortsflur von Mooswald.
lAllein der innere Teil der Stadt, den die Rinnsche in einem, östlichen
Bogen umzieht, hat noch enge Gassen und dichter sich aneinander lehnende
Häuserfronten. Dieser alte Stadtkern birgt Kirche, Schloß, Markt
und Hauptgeschäftsgegend. Zwei Brücken, eine 1883 errichtete "obere"
nahe der Stadtkirche, und eine ältere, seit 1842 bestehende "untere"
unweit des Schloßbaus, übersetzen die Rinnsche, deren Überschwemmungsfeld
nahe der
Stadt seit 1850 mehr und mehr durch Dammbauten beschränkt wurde.

Stadt Gottschee
Promenadenanlagen
schließen die innere Stadt nach Süden ab, denen sich eine Reihe
öffentlicher Bauten eingliedern: die 1894 errichtete Volksschule,
die ehemalige Holzindustrieschule, heute slowenisches Blindenhaus, dann
das frühere "Studentenheim" für auswärtige, das
Gymnasium besuchende Gottscheer, nach dem
Weltkriege für slowenische Jünglinge als "Narodni dom"
eingerichtet. Auch jenseits dieses Parkgeländes beginnt die Stadt
gen Süden und Südosten, nach Stalzern und Lienfeld wie nach
Zwischlern zu, sich auszubreiten. Das gleiche ist gegen Osten nach der
Ebene zu der Fall, wo in der Richtung Seele und Schalkendorf die bestehenden
(Kohlenbergwerk) und wohl auch die kommenden Industriestätten ihr
bestes Entfaltungsgebiet haben. Die ersten hohen Schornsteine tauchten
seit 1929 mit der Errichtung eines größeren Spinnereigebäudes
auf. Die Stelle, wo seit 1377 der "Markt" und dann 1471 die
"Stadt" Gottschee entstand, liegt etwa in gleicher Entfernung
vom Becken von Reifnitz wie von dem Kulpagebiet um Kostel. Zwischen diesen
beiden Gebieten, die schon vor der Besiedlung
des Gottscheer Landes als Bevölkerungsmittelpunkte bestanden, wurde
Gottschee im Zuge einer sich entwickelnden Nordsüdstraße die
von der Natur gegebene Station für Güteraustausch und Verwaltung.
Die erste namhaftere Siedlungsbildung geschah einige Kilometer nordöstlich
der heutigen Stadt, und zwar jenseits des Rinnschebogens in der Ebene,
da, wo heute noch die Meierhöfe und die Corpus-Christi-Kirche stehen.
Als aber mit den beginnenden Türkeneinfällen die Frage guter
Schutzlage dieses Zentrums der Gottscheer Landschaft auftauchte, wurde
der Ort nach Westen verlegt, und zwar dorthin, wo ein weiter Bogen der
Rinnsche die notwendige Verteidigungsstellung gibt, denn der Fluß
umgürtet von drei Seiten die Altstadt. Es umschlossen damals die
Stadt dicke Mauern und Befestigungstürme. An der von der Rinnsche
freien Südwestseite schützte ein von Palissaden umgürteter,
in den Fluß auslaufender Wallgraben die Stadt, ein Verteidigungsaufbau,
von dem auch das Kaiserliche Siegel von 1471 eine Vorstellung vermittelt.
Mancherlei Urkunden bezeugen, wie die Sorge der Kaiser dahin gerichtet
war, die Stadt gegen die Überfälle der Türken möglichst
"wehrhaft" zu machen.
Als winziges "Städtchen" ("cintatula Gotsche")
taucht 1555 Gottschee bei
Wolfgang Lazius (a. a. O. p. 185) auf. Doch schreibt er ihrer Umgebung
einige befestigte Orte und viele Dorfschaften zu ("oppidum cum paucis
castris multisque pagis"). Valvasors Kupferdruck zeigt uns die Stadt
Gottschee, wie er sie mit ihren damals wohl 350-400 Einwohnern in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fand und gezeichnet hat: die
Burg mitTürmen, Mauern und Zinnen, umgeben von eng aneinander gedrängten
spitzgiebligen Häusern und der an ihren Flanken stehenden Wasserfläche
der Rinnsche.

Stadt und Schloß Gottschee, Johann Weichard Freiherr von Valvasor (1641-1693), "Die Ehre des Herzogtums Krain", 1689. (Original Nr. 01., J. Gladitsch.)
Valvasor liefert aber auch eine textliche Beschreibung der Stadt Gottschee,
indem er sagt: "Die Stadt ist viereckig gebaut, auch mit starken
Mauern eingefaßt, und hat an jedwedem Eck einen starken Thurm, dazu
einen Wassergraben, welcher um und um geführt worden, daraus leichtlich
abzunehmen, daß sie nicht nötig hat, einem feindlichen Anspruch
mit Oeffnung der Thore gleich zu willfahren."
jAus dem engen Raum des alten mauerumschlossenen Stadtgebiets hat sich
Gottschee erst langsam gelöst. Eine vom Jahre 1850 stammende Abbildung,
die im Gottscheer Kalender, Jahrgang 1921, wiedergegeben ist, veranschaulicht
das Idyll des um diese Zeit noch stark ländlich anmutenden Städtchens.
Auch die Bevölkerung fand nur langsam Zunahme, da ihr Anwachsen auch
verschiedentlich durch Katastrophen wie Pest, Cholera und Hungersnot gestört
war. 1574 zählte Gottschee nach den Aufzeichnungen des Urbars nur
84 zinspflichtige Parteien, das sind etwa 400 Seelen. 1756 finden wir
106 zinspflichtige Parteien. Im Jahre 1813, also fast 150 Jahre nach Aufstellung
des Urbarregisters, stehen nicht mehr als 107 Häuser, in denen 617
Personen leben.
Und auch 1857 ist, wie die damals erste stattgehabte sorgfältigere
Zählung belegt, noch keine erhebliche Vermehrung eingetreten. Wir
treffen in 137 Häusern auf 260 Wohnparteien und auf eine Stadtbevölkerung
von 1116 Seelen. 1880 war die Bevölkerung erst auf 1331 gestiegen.
Um die Jahrhundertwende ist infolge oben genannter Eingemeindungen endlich
das zweite Tausend
erreicht. Gegenwärtig birgt das Städtchen gut 3500 Seelen und
wahrt nachdrücklich seine Stellung als kultureller und wirtschaftlicher
Vorort der Sprachinsel.
Die volle Erfassung des Landschafts- und Oberflächenbildes erfordert
den Blick von der Höhe. Das Skelett der bis zu 1200 Meter ansteigenden
Bergrücken, die das Gottscheer Land teils umrahmen, teils durchlaufen,
hatte ich beim Durchpilgern der Gassen Gottschees und seiner nächsten
Umgebung noch nicht zu gliedern vermocht. Vor Gesicht standen mir bisher
nur im Nordosten die langhinstreichenden, etwas eintönig wirkenden
Linien des Hornwaldes ohne hoch ausladende Kuppenform, im Nordwesten die
breite Gestalt eines Bergzuges mit den jeden Kärntenwanderer anheimelnden
"Nock"namen, wie das südlich an das Gottscheer Becken hart
heranrückende Massiv des schwarzgrün leuchtenden Friedrichsteiner
Waldes.
Ob die Bergzüge einen Parallelismus zeigen, wie sie sich schneiden
und verknoten, ob Naturgemälde von fesselndem Rhythmus der Bergfiguren
und von stimmungsvoller Farbensinfonie sich beim Eintauchen in die Gottscheer
Bergwelt eröffnen, davon fehlte mir die nötige Vorstellung.
Eine zweistündige Kletterpartie führte mich denn auf eine der
nächsten und ansehnlichsten Erhebungen, auf den Bergzug des Friedrichsteiner
Waldes, der eine prächtige Rundsicht bietet und eine Ruine trägt,
um die Geschichte und Sage ein buntes Rankenwerk legen.
Es sind keine bequemen Spazierwege, die zu dem für unsere Wanderung
ausersehenen Gipfel leiten. Steinige Wege ziehen sich in spitzen Winkeln
aufwärts. Breitschirmige, dicht stehende Tannen und Fichten fangen
die noch Mitte Oktober recht fühlbar warmen Strahlen der im klaren
Herbsthimmel prangenden Nachmittagssonne. Wo ein Stück Bergeshang
von Bäumen entblößt und nur von Farnen und Buschholz überwuchert
ist, schwelen Rauchfahnen aus hochaufgestapelten Kohlenmeilern. Die sich
mit dem Weltkriege im Gottscheer Lande ständig mindernden Verdienstgelegenheiten
haben manchen bäuerlichen Kleinbesitzer zur Herstellung der im benachbarten
Italien begehrten
Holzkohle gelockt und üble Risse in das noch so üppige Waldkleid
dieser Gegend gezogen.
Jetzt liegt von halber Höhe schon ein erheblicher Ausschnitt des
Gottscheer Landes im Osten vor uns ausgebreitet. Die Troggestaltung der
mit weißen Siedlungsflecken betupften Talebene wird kenntlich. Weit
gestreckte, mehr oder weniger hohe Bergmassen umschließen die Längsseiten
des Beckens, indes niedere Querriegel zumeist die einzelnen Wannen trennen.
Wie eingestreute Schneefelder wirken die auf den Anhöhen zwischen
dem Grün und den dünnen Waldbeständen liegenden Kalksteinblöcke
und Platten der Karstregion. Ein goldiges Glitzern, das die Töne
südlicher Sonne hat, zittert auf den Acker- und Wiesenstreifen, auf
dem mächtigen, saftigen Waldteppich und den wie
schmale Kerzenlichter brennenden Kirchen- und Kapellentürmen, die
über den winzigen Häusergirlanden der Dörfer auf den Kämmen
der Höhen als Zeichen treuer Andacht des Gottscheer Völkchens
gar häufig aufgerichtet sind.
Noch ein halbstündiges zähes Klettern über Steintrümmer
und Bergrippen, wobei wir uns stellenweise durch üppig wucherndes
Untergehölz des dichten, von Fichten und Buchen gemischten Waldes
zu winden haben, führt zu einem schmalen Plateaustreifen, der mit
Mauerresten aller Art erfüllt ist. Am Steilabhange nach Norden und
nach der östlichen Kammseite zu ragen einige brüchige, aus roh
behauenen Steinblöcken bestehende Wände des ehemaligen festungsartigen
Schlosses noch am deutlichsten empor. Auf der Ostseite der Kammrichtung,
also nach der Stadt Gottschee zu, stand wohl ein Wehrturm, zu dem eine
Zugbrücke über einen künstlichen Graben führte. Sonst
vermeldet nichts von Gestalt und Anlage des Schlosses, an das erst zur
Franzosenzeit die Hand gewaltsamer Vernichtung gelegt wurde. Eine Kapelle
mit einem Altar, der um die Mitte des letzten Jahrhunderts in eine Kirche
von Gottschee übergeführt wurde, sowie einige Wohngeschosse
standen auch dann noch sechs bis sieben Jahrzehnte.
In der Gemeinde Obermösel starb vor einigen Jahren ein Mütterchen,
das noch als Magd beim letzten Kastellan des verfallenden Gebäudes
hier in Waldesstille gehaust hatte. Eines zeigt mit Eindringlichkeit der
Umblick von der höchsten Stelle des Plateaus, auf der ein Lugaus
des stolzen Friedrichsteiner Schlosses stand: die beherrschende Lage über
den größten Teil der
Gottscheer Landes, dessen Mittelpunkt der Friedrichsteiner Bergzug bildet.
Niemals haben die Türken auf ihren vielen Raubzügen sich des
Schlosses bemächtigen können. Wo einst über die glatten
Steinfliesen des Schloßhofes die Sporen geharnischter Ritter klirrten
und die Kleider minnesangfreudiger Edelfräulein rauschten, haben
sich in trümmerbesätem Erdreich an Alter ehrwürdige, dickstämmige
hohe Fichten eingenistet, deren vom Abendwinde bewegte Äste in die
Dämmerung des rötlich überhauchten Himmels tasten und von
den versunkenen Tagen heller Lustbarkeit auf Schloß Friedrichstein
erzählen.
Graf Friedrich von Cilli, aus dem Geschlechte stammend, welches Erbe der
Ortenburgschen Besitztümer, also auch des Landes Gottschee nach dem
Aussterben der Ortenburger Fürsten im Jahre 1420 geworden war, hatte
gegen Anfang des 15. Jahrhunderts von geheimer Liebe zu einer Kroatin
aus niederem Adel mit Namen Veronika von Desinze entbrannt, dieses Schloß
gebaut. Seines angetrauten Weibes satt, erstickte er dieses in den Kissen
und erhob die Veronika zur Gattin. Doch die Tat wurde ruchbar, und die
neidvolle Welt klagte die verführerische Veronika der Mithilfe am
Morde an. Graf Friedrich wurde auf Betreiben des deutschen Kaisers Sigismund
in einem Turm gefangengesetzt, sein Vater, Hermann von Cilli, ließ
ergrimmt die romantische Waldburg niederreißen, gegen die Kroatin
aber begann ein arges Kesseltreiben. Sie wurde als gefährliche Zauberin
angeklagt, die den Grafen durch ihre geheimen Künste verführt
habe. Ein Gericht sprach sie frei, aber der alte Graf stellte beharrlich
ihr weiterhin nach. Von den Verfolgern gehetzt, flüchtete sie sich
in verborgene Hütten der Gottscheer Wälder, bis "zween
Ritter" auf Geheiß des alten Grafen Cilli sie im Dörfchen
Kuntschen im Hornwald ergriffen und ertränkten.
Ihren Gemahl, der in seinem Turmverlies kränkelte und der einzige
männliche Erbe war, ließ man nach Veronikas Tode frei. Er richtete
sein Bergschloß trotzig wieder auf und führte dort bis zu seinem
späten Ende ein Leben in Saus und Braus. Ein kalter, vom Tale heraufziehender
Wind, der breite, finstere Wolken über Berg und Ebene treibt, zwingt
zum Abstieg von diesem Flecken, der im Gottscheer Lande ein so denkwürdiges
Zeugnis ablegt von mittelalterlicher Unverwüstbarkeit in irdischer
Begierde.
www.gottschee.de
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