Die
Deutsche Sprachinsel Gottschee - Volkslieder, Dr. Adolf Hauffen, Graz, 1895 Unter den verschiedenen Gattungen der Volkspoesie ist die des Volksliedes in der Sprachinsel Gottschee am reichsten vertreten. Unsere Volksliedersammlung bildet darum auch den Mittelpunkt der ganzen Darstellung und erheischt eine besondere Aufmerksamkeit der Untersuchung. Unter den vielen neueren Sammlungen noch lebender Volkslieder der einzelnen deutschen Landschaften nimmt sie eine eigenartige Stellung ein. An Zahl der Nummern bleibt sie freilich hinter den meisten Sammlungen zurück. Sie erstreckt sich ja nur auf ein kleines Gebiet. Viele Lieder dürften gerade in den letzten Jahrzehnten, da der Einfluss der Fremde stärker als ehedem fühlbar ward, verloren gegangen sein. Manches harrt noch verborgen des Finders. Doch der moderne Volksliederschatz anderer deutscher Landschaften gewährt nicht diesen Eindruck des Alterthümlichen und Eigenartigen. Keiner weicht in der Form so von allen übrigen ab, nur wenige bieten in den Einzelheiten so viel des Neuen dar, als der Gottscheer Liederschatz. Das deutsche Volkslied blühte bekanntlich im 15. und I6. Jahrhundert von neuem auf in erstaunlicher Fülle, in unvergleichlichem Reichthume. Die gelungensten und beliebtesten Erzeugnisse wurden schon in jener wanderfrohen Zeit von Ort zu Ort getragen, setzten sich überall fest, so dass wir noch heute viele alte Balladen und Liebeslieder in jedem Strich deutscher Lande nachweisen können. Wer also in neuerer Zeit in Gegenden mit reichem Verkehr, etwa in Mitteldeutschland, sammelt, fördert meist schon bekannte Lieder, höchstens mit neuen Varianten, zutage, selten ein Lied, das ohne Parallele dasteht. In Gegenden aber, die vom Verkehre weiter abliegen, wo die landschaftliche Umgebung, die Lebens- und Erwerbsverhältnisse auch besondere Zustände erzeugen, also etwa in der Schweiz, in den innerösterreichischen Alpenländern, da bietet auch der Volksliederschatz, das dichterische Spiegelbild dieser Zustände, einen eigenartigen Charakter dar. In erhöhtem Grade ist dies in den Sprachinseln der Fall. Hier wird einerseits alles reiner und ungeminderter bewahrt, als in den der Ausgleichung stärker ausgesetzten Gegenden, anderseits wird hier die alte volksthümliche Poesie theilweise unter fremdnachbarlicher Einwirkung zu einer eigenthümlichen Entwicklung geführt. Gerade auf dem Gebiete des Volksliedes finden wir bei den Siebenbürger Sachsen ganz ähnliche Verhältnisse, wie bei den Gottscheern. In beiden Sprachinseln werden die Lieder, völlig in der Mundart gesungen (das Volkslied abgelegener Gegenden ist überhaupt in der Regel mundartlich), in beiden wird die Ballade bevorzugt, in beiden gewähren die Lieder durch die Form (meist dreizeilige Strophe), durch Auffassung und Darstellung einen alterthümlicheren Eindruck, als die entsprechenden deutschen Parallelen, in beiden erscheint der überlieferte Stoff auf heimische Orte und Zustände übertragen. Hier wie dort können wir mehrere Altersschichten der eingewanderten, sowie der im Lande selbst entstandenen Lieder unterscheiden. Die siebenbürgisch-sächsischen Lieder einerseits, wie die Gottscheer Lieder anderseits haben sich untereinander in Form und Inhalt immer mehr angeglichen und zeigen eine Reihe poetischer Redewendungen zu immer wiederkehrenden, auch gedankenlos an unpassenden Stellen verwendeten Formeln erstarrt. Der erste Eindruck des Gottscheer Liedergutes ist dem der Mundart entsprechend. Ein fremdartiges Bild, in der reimlosen Form insbesondere von allem abweichend, was wir sonst in der deutschen Volkspoesie kennen. Bei näherem Zusehen aber ergibt sich der Hauptstock als gut deutsch. Für den Inhalt der Lieder, für die Motive, die Auffassung, für die typischen stilistischen Erscheinungen lassen sich meist sehr nahe, oft wörtlich übereinstimmende Parallelen aus anderen deutschen Landschaften beibringen. Viele der bekanntesten deutschen Volksballaden und Liebeslieder, so von der Liebesprobe, vom wiederkehrenden Gatten, von der verkauften Müllerin, vom Brautmörder, von der Wirtin Töchterlein, der Kindesmörderin, den zwei Gespielen, dem Jungbrunnen, dem treulosen Liebchen, dem alten Weib u. s. w. werden auch in Gottschee gesungen. Aber manches hat sich hier alterthümlicher erhalten, als im Mutterlande, viele Lieder sind unter den neuen örtlichen Verhältnissen in Form und Inhalt anders ausgebildet worden. In Stil, Syntax, Metrum und Melodie haben sie ihre ganz besonderen deutlich hervortretenden Merkmale. Endlich ist ein geringer slawischer Einschlag erkennbar. Nicht alle Gottscheer Lieder sind untereinander gleichartig. Die Verschiedenheit des Alters äußert sich schon in der Form. So müssen der Abstammung nach mehrere Gruppen unterschieden werden. Die größte Gruppe bilden jene Lieder, die schon lange, schon seit Jahrhunderten in der Sprachinsel gesungen werden. Etwa hundert Nummern, also zwei Drittel unserer Sammlung, müssen dazu gerechnet werden. Einige der ältesten haben die Gottscheer sicher schon bei der Einwanderung in der Mitte des 14. Jahrhunderts mitgebracht. Möglich ist diese Annahme für die Lieder, die sich an die Kudrundichtung anschließen: Nr. 44, 46-50, bei den Besten der Heimkehrlieder Nr. 56 bis 58, beim Lied von den zwei Königstöchtern Nr. 53, von der treuen Liebe Nr. 55; denn diese Stoffe waren in Deutschland nachweislich schon im 14. Jahrhundert bekannt. Deutscher Einfluss reichte auch in der Folgezeit ununterbrochen bis nach Gottschee. Oberkrain und Unterkrain waren ja erfüllt von deutschen Niederlassungen. Die Landeshauptstadt Laibach, mit der die Gottscheer in Handelsbeziehungen standen, war im 16. Jahrhundert so gut wie eine deutsche Stadt. Im ganzen Lande waren die adeligen Grundbesitzer und ihre Gefolgschaften, vielfach waren Kaufleute und Söldner Deutsche. So konnte also deutsches Liedergut immer von neuem nach Gottschee dringen. Ferner verlieh Kaiser Friedrich III. im Jahre 1492 den Gottscheern das Recht, mit ihren Erzeugnissen in fremden Gegenden Handel zu treiben. Von da ab begann der lebhafte Hausierhandel der Gottscheer. Sie zogen nun vorerst in die Nachbarländer, nach Kroatien, Kärnten und Steiermark, doch bald auch weiter dem Norden zu. Gerade in dem sangesfrohen 16. Jahrhundert waren sie also schon viel auf deutschem Gebiete und konnten alle die neuen Lieder kennen lernen und in ihre Heimat bringen. Die meisten Volkslieder dürften auch im 16. Jahrhundert nach Gottschee gekommen sein. Viele sind ja erst in dieser Zeit entstanden, oder doch für eine ältere Zeit nicht zu belegen. Dass aber die meisten schon lange in der Sprachinsel sind, ergibt sich daraus, dass sie die noch später zu erörternden Gottscheer Eigenthümlichkeiten zeigen. Oft lassen sie sich als eine ältere Fassung der in Deutschland für das 16. oder erst für das 19. Jahrhundert belegten Parallelen erweisen. Sie haben die alte dreizeilige Strophe, sie haben alte Motive oder die Angabe des Grundes bewahrt, was in den entsprechenden deutschen Liedern schon ausgefallen ist. (Z. B. Nr. 68-70.) Oder es vereinigt ein Gottscheer Lied alle alten Züge, die in den verschiedenen deutschen Parallelen nur vereinzelt vorkommen (z. B. Nr. 11). Aus welcher deutschen Landschaft die Gottscheer sich jedes einzelne Lied geholt haben, lässt sich natürlich nicht nachweisen, weil die meisten Lieder nahezu gleichlautend überall zu finden sind. In den Verhältnissen lag es, dass sie manches durch Vermittlung der Nachbarländer erhielten, und so stehen auch einzelne Gottscheer Lieder noch heute den kärntnischen, steirischen oder allgemein österreichischen Fassungen näher, als denen im Reiche (z. B. Nr. 70, 79). In vielen Fällen kann man dies aber nicht aufdecken, weil die Alpenländer, besonders Kärnten und Steiermark, nur noch wenig alte Balladen bewahrt haben. Dieser Gruppe von alten allgemein verbreiteten deutschen Volksliedern, die in Gottschee gleichmäßig einer eigenthümlichen Umbildung unterzogen wurden, schließt sich eine kleinere zweite Gruppe von Liedern an, die wahrscheinlich in der Sprachinsel selbst entstanden sind. Mit größerer oder geringerer Sicherheit sind hieher zu rechnen die Lieder Nr. 20- 22, 29, 34-40, 60, 64, 76, 93, 103 f., 107, 109-113, 118, 120, 122, 124, 133 f. Der Umstand, dass sie in der deutschen und in der südslawischen Volkspoesie keine Parallelen haben, ist natürlich nicht allein beweisend; denn die Parallelen könnten ja verloren gegangen sein. Aber sie beziehen sich auch auf bestimmte Bräuche und Verhältnisse der Sprachinsel, oder sie geben sich deutlich als Schilderungen örtlicher Ereignisse, oder als Erzeugnisse der augenblicklichen Laune. Die jüngeren enthalten auch Reime, die nur in der Gottscheer Mundart als solche empfunden werden (Nr. 107, 120). Diese Lieder nebst der später zu besprechenden dritten Gruppe der aus dem Slowenischen oder Kroatischen stammenden Lieder vermehren thatsächlich das bisher bekannte deutsche Volksliedergut. Eine vierte Gruppe bilden die jüngeren Lieder, die erst in neuerer Zeit (in unserem Jahrhundert) aus deutschen Ländern in die Sprachinsel gekommen sind und hier nur wenig oder gar nicht in den Gottscheer Stil umgesetzt wurden und ganz oder halb Schriftdeutsch gesungen werden. Die Lieder der ersten drei Gruppen werden völlig in der Mundart gesungen. Die Mundart der Lieder ist etwas alterthümlicher, als die heute noch lebende Umgangssprache. Die Nebensilben werden vielfach (aus metrischen Gründen) voll ausgesprochen. Im Artikel, Pronomen, bei den Präpositionen werden die heute üblichen Abkürzungen vermieden. Der Wortschatz enthält vieles, was der Sprache des täglichen Lebens bereits verloren gegangen ist. Die Lieder der ersten drei Gruppen (auch die südslawischen Ursprunges) sind in der Auffassung, im Stil, in der Syntax, in der metrischen Form untereinander ganz gleich gestaltet und geben gemeinsam das von den allgemein deutschen Volksliedern in einzelnen Zügen so merkwürdig abweichende Bild des eigentlichen Gottscheer Liedes. Das alte Volkslied der Gottscheer ist durchwegs feiertägliche Poesie. Die Legenden, Balladen und episch-lyrischen Liebeslieder höheren Stils bilden eine große Mehrheit und stehen noch heute im Vordergrunde des lebenden Volksgesanges. Schon der typische Eingang der meisten Lieder ist überaus feierlich. Der Held oder die Heldin steht früh morgens auf, betet, wäscht sich, nimmt ein Frühstück, lässt sich ein Pferd satteln (die Heldin kleidet sich schön an) und zieht so wohlgerüstet aus, um ein ungewöhnliches Ereignis zu erleben oder eine außerordentliche That zu vollziehen. Wie eine höchst ehrwürdige Sache werden die Lieder gesungen, mit festlicher Erhebung, mit sichtbarer innerer Ergriffenheit. Außerdem hat das entsagungsvolle, harte, von Leiden aller Art bedrängte Leben, das die Gottscheer Landleute ehedem führen mussten, ihren Liedern einen nicht gerade traurigen, aber einen entschieden gedämpften Ton verliehen. Das geängstigte Herz wagt nicht, im Liede frei aufzujubeln. So fehlt jeder lose Scherz, jede schalkhafte Wendung, jeder Freudenausbruch. Zumeist werden ernste Ereignisse besungen: Abschied, Entführung, Todesfälle, Mord, die Wiederkehr des todten Freiers. Fremden Liedern wird in Gottschee gerne ein tragischer Ausgang angefügt oder doch der scherzhafte Schluss genommen (z. B. Nr. 80, 81, 123 und 129). Vertrauensvolle Frömmigkeit ist ein weiteres Merk-mal der Gottscheer Lieder. "Was Gott will haben, ist leicht gethan" (Nr. 18-21), oder "In Gottes Namen, in Jesu Namen" (Nr. 18, 21, 22, 32): das ist ihr Wahlspruch. Die legendenhafte weiße Taube, die beim Tode der Märtyrer zum Himmel schwebt, erscheint auch in weltlichen Liedern (Nr. 66, W). Selbst Trinklieder werden mit frommen Sprüchen eröffnet (Nr. 135). Groß ist die Zahl der geistlichen Lieder und Legenden und unter ihnen befinden sich die schönsten der Sprachinsel eigenthümlichen Volksdichtungen. Neben allgemein verbreiteten Marienlegenden die Scenen aus dem Evangelium oder spätere Erdenwanderungen Marias schildern, haben die Gottscheer auch noch besondere Marienlieder. Sie rufen ihren Namen bei der Ernte an (Nr. 8). Maria versieht dem betrübten Bräutigam auf der Hochzeit die Stelle, der verstorbenen Eltern (Nr. 17), sie ertheilt der tanzenden Jugend eine ernste Ermahnung (Nr. 15). Sie wird überhaupt sehr streng geschildert: sie verzeiht dem Frevler nicht (Nr. 12 f.), oder sie verzeiht zwar, aber will es nicht vergessen (Nr. 15). (In Marie von Ebner-Eschenbachs Erzählung "Glaubenslos?" sagt eine Bäuerin: "Verzeihen -ja, vergessen - nein." Darauf der Geistliche : "Verzeihen, nicht vergessen, die Lieblosigkeit hat, diesen Ausspruch erfunden, die Gedankenlosigkeit plappert, ihn nach." und die Gottscheer legen diesen Ausspruch Maria in den Mund, wie verschieden doch die Ansichten sind! ) Wunderschön sind die Legenden vom heiligen Georg und vom heiligen Leonhard, zu denen ich keine Parallele finden konnte (Nr. 20 und Nr. 22). Wie hier, so wurden auch in anderen Legenden (Nr. 21, 23 f.) volkstümliche Motive auf beliebte Heilige übertragen, ohne dass in deren Leben ein bestimmtes Ereignis dazu veranlasst hätte. Die Legende vermengt sich auch mit historischen (Nr. 29) und mit Märchenmotiven (Nr. 18), sie greift in das Gebiet der Ballade über (vgl. Nr. 31 und Nr. 62). Auch in den weltlichen Liedern werden die Dinge gewöhnlich vom Standpunkte des Frommen aus angesehen. Verlust der Unschuld nehmen auch Jünglinge selir ernst (Nr. 103, 121) und selbst der Kuckuck ist im Gottscheer Liede nicht ein leichtsinniger Ehebrecher (wie in deutschen Liedern), sondern ein betrogener Liebhaber, der sich zu Tode betrübt (Nr. 94). Verwandtschaftliche Liebe wird allgemein innig und wahr empfunden und selbst die Stiefmutter nimmt sich der fremden Kinder warm an (Nr. 126;. Selbstverständlich wird, wie im allgemeinen deutschen Volksliede, so auch hier die Liebe als bedeutsamste Angelegenheit des Lebens aufgefasst und in unwandelbarer Treue bis über den Tod hinaus bewährt. Im Gegensatze zu den übrigen deutschen Volksliedern vermeiden die Gottscheer Lieder jedes derbe Wort, jede unschickliche Situation. Die anstößigen Wörter in Nr. 95 und 120 stehen ganz vereinzelt da. Die Sittsamkeit der Rede erklärt sich daraus, dass in Gottschee ausschließlich Frauen das alte Volkslied singen. Nur neuere Lieder, wie gerade Nr. 120 und die schriftdeutschen Nummern, werden von Burschen gesungen. Ein weiteres bezeichnendes Merkmal der Gottscheer Lieder ist die Schlichtheit der Darstellung und die Nüchternheit der Auffassung. In den Balladen ist zwar auch hier zuweilen von Königen und Rittern, von Prinzessinnen und Gräfinnen; von Schlössern und Edelsteinen die Rede, doch meist wird alles glänzende Beiwerk vermieden. Wie die Gottscheer im Leben einfache, sparsame Leute sind, so geben sie auch in ihren Liedern nur das einfache Gerippe der Fabel ohne weitere Ausschmückung der Einzelheiten. So wird die Darstellung verständlich, aber auch zuweilen nüchtern und prosaisch. Das Lied vom heimkehrenden Gatten (Nr. 56) ist gleichsam nur ein dürftiger Auszug der deutschen Möringer Ballade. Die singenden Frauen kommen oder kamen doch in früheren Zeiten aus ihrem armseligen Bergdorfe nicht heraus, so blieb ihr Gesichtskreis sehr beschränkt und was ihnen nicht verständlich war, das blieb auch aus dem Liede weg. So verwandeln sie den Ritter (ein ihnen unbekannter Stand) in einen Richter (Nr. 70a), oder in einen Recruten oder modernen Soldaten (Nr. 55, 59). Der Ritter der deutschen Parallele, der sich als Pilger verkleidet, wird im Gottscheer Lied zum Bettler (Nr. 56), der geigende König in der slowenischen Quelle wird bei den Gottscheern zum schlichten Geiger (Nr. 96). Das Edelfräulein oder die Königstochter, die in den deutschen Liedern von der Zinne ihrer Burg dem Sänge des Verführers lauscht, wird zum Bauernmädchen am Dachfenster (Nr. 70). Auch das Haus des Sultans wird geschildert als wäre es eine Gottscheer Bauernhütte mit einer Line, einem hof (Stall im Hause) und einem Getreidekasten (Nr. 74a). Die typische Figur aber ist ein alter Mann, der an Stelle verschiedener Persönlichkeiten in den deutschen Parallelen im Gottscheer Lied die Handlung eröffnet oder fortführt (Nr. 58, 79). Mit dem Gesagten sind wir schon zum Theile in eine negative Charakteristik hineingerathen. Sie muss fortgesetzt werden. Denn nicht nur das, was einer Volkspoesie eigenthümlich zukommt, sondern auch das, was ihr fehlt, ist für sie bezeichnend. Die Gottscheer, die nicht in den Alpen, sondern in einem waldigen Mittelgebirge wohnen, weichen darum im Charakter, in der Lebensführung und in den Liedern von den übrigen bayrisch-österreichischen Stammesgenossen, vielfach ab. Sie haben keine Alm- und Schützenlieder, und was sehr bemerkenswert ist, keine Schnaderhüpfeln, die doch sonst in ganz Deutsch-Österreich und darüber hinaus verbreitet sind. Die kecke Lebenslust und die jauchzende Stimmung der Schnaderhüpfeln sagt ihrem herben Wesen nicht zu und so erschallen auch keine Jodler auf den Berghängen der Sprachinsel. Auch die übermüthige sinnliche Art, mit der alle Seiten des Liebeslebens in den Liedern der Älpler in Erscheinung treten, fehlt hier ganz. Wir hören nichts vom Fensterln, vom heimlichen Liebesgenuss, nichts vom Schmollen und Trutzen, von den Ränken und Neckereien, von der gegenseitigen stürmischen Hingabe der Liebenden. Aber auch von dem alten allgemein deutschen Volksliede fehlen in Gottschee mehrere Gruppen, so die leichtsinnigen Schlemmer- und Buhllieder, die Maireigen und die Tagelieder, die mannigfaltigen Ehebruchslieder. Es fehlen die Lieder von Nonnen und Mönchen, von Bergleuten, Schiffern u. s. w., denn in der Sprachinsel gibt es kein Kloster, keine Schiffahrt und erst seit der neuesten Zeit ein Bergwerk. Die Gottscheer Lieder versetzen alle fremden, außergewöhnlichen Ereignisse ganz in die Heimat, sie haben daher ein sehr starkes Localcolorit. Sprachinseln sind auch im Culturleben sehr abgeschlossen. Und wie sich in den Liedern der Charakter des Stammes widerspiegelt, so auch dessen äußere Verhältnisse. Darum könnte man aus den Liedern förmlich ein Culturbild des alten Gottschee auslösen. Die Lieder begleiten, wie im 6. Capitel gezeigt wurde, alle kirchlichen und weltlichen Volksfeste und geben Gelegenheit, einzelne der verschwundenen Bräuche (z. B. bei der Hochzeit) noch jetzt zu erkennen. Die mythischen Erscheinungen des Volksglaubens, die Hexen, die lange Schlange u. s. w. erscheinen auch im Liede. Einzelheiten des Gottscheer Hauses (besonders die Line und das mittlere Fenster) und die heimische Tracht werden im Liede oft und jedesmal als selbstverständliche, allein denkbare Zustände erwähnt. Der Name Gottschee wird als selbstverständlicher Ort der Handlung gar nicht erwähnt: nur der Sultan zieht aus der Türkei ins "Gottscheer Land" (Nr. 73). Dagegen werden einzelne Gottscheer Orte häufig angegeben, so der Nesselthaler Boden (Nr. 76), die alte Kirche, d. h. Mitterdorf (Nr. 73), Kukendorf und Mückendorf (Nr. 119). Die, Vortheile und Nachtheile einzelner Gegenden werden gegen einander abgewogen, so das unfruchtbare Rodine und das gesegnete Maierle und Schemitsch (Nr. 112 f.). Die nächste Nachbarschaft, besonders Reifnitz, spielt mit hinein (Nr. 67). Das den Liebsten erwartende Mädchen schaut über den Reifnitzer Boden aus (Nr. 55). Aus Kroatien werden die Orte Ogulin (Nr. 29, 67) und Karlstadt (Nr. 64, 94, 119) erwähnt; aus Krain neben Reifnitz die neue Stadt (d. h. Rudolfswerth Nr. 69), Möttling (Nr. 67), Oberkrain (Nr. 95) und wiederholt Laibach (Nr. 28, 71, 95, 119). Laibach hat den Beinamen weiß. Auch in der slowenischen Volkspoesie heißt es bela Ljubijana und wird allgemein im Volksmunde als das weiße Laibach bezeichnet. Den Städten wird gerne, namentlich bei den Südslawen, dieses Beiwort gegeben. Die Nähe der Türkei kommt natürlich auch in den Liedern der Gottscheer, wie in jenen der Südslawen zur Geltung. Türken entführen Gottscheer Mädchen (Nr. 73, vgl. auch Nr. 71), die Christen nehmen dafür Vergeltung (Nr. 74 f.). Kämpfe mit Türken erwähnen zwei Lieder (Nr. 29, 76). Ohne historischen Hintergrund schildern die Soldatenlieder aus einer späteren Zeit den Abschied der Recruten, die ins "große Heer" müssen (Nr. 90-91a, vgl. auch Nr. 89 und 77). Kirchtage (das zugleich Jahrmarkt bedeutet) werden wiederholt in den Städten abgehalten; mit Pferd und Maulthier reitet man dahin (Nr. 64, 119, 69). Ein "Kaufmaß" gilt als Getreidemaß (Nr. 111), für die Bezahlung gibt es auch noch allgemeinere Bewertung: ein "Hut" oder eine "Kappe voll Geld" (Nr. 68, 73). Hirse und Weizen sind die häufigsten Getreidegattungen (Nr. 64, 93, vgl. auch Nr. 133). Feldarbeit wird wiederholt geschildert (Nr. 20 f. u. a.). Von der wichtigsten Beschäftigung, dem Hausierhandel, schweigen die Lieder (der Gegenstand ist wohl nicht poetisch genug), nur die Freude der wandernden Männer über die Heimkehr ertönt in einem Sonnwendliede (Nr. 35). Das Bier kommt gar nicht vor, die Gottscheer Lieder kennen nur den Wein, wie ihnen ja auch der Biergenuss bis in unser Jahrhundert herein ganz fremd war. Auch im älteren deutschen Volksliede ist, nebenbei bemerkt, das Bier ein seltener Gast, während der Wein in der poesievollsten Weise immer wieder verherrlicht wird. Die Volkslieder entstanden eben im Süden und Westen deutschen Gebietes, im 15. und 16. Jahrhundert ausschließlich Weingegenden. Die eigentlichen deutschen Bierländer der älteren Zeiten lagen im Norden und Osten, wo nur wenige Volkslieder geschaffen wurden. Auch der Stil der Gottscheer Lieder hat eine ganze Reihe stark hervorstechender Kennzeichen. Freilich sind alle typischen Formeln der Gottscheer Lieder im allgemeinen deutschen Volksliede ebenfalls nachweisbar. Sie sind also alle deutsch und echt volksthümlich. Doch die außerordentliche Häufigkeit ihres Auftretens in einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Liedern, die Art ihrer Verwendung und bestimmte Abweichungen des Wortlautes unterscheiden sie deutlich von den Formeln der übrigen deutschen Volkslieder. Im deutschen Volksliede hat sich bekanntlich ein ganz besonderer Stil entwickelt. Die einzelnen Dichter sangen eben im Sinne und Geschmack des ganzen Volkes und bedienten sich hiebei der allen gemeinsamen Mittel der poetischen Technik und erzielten dadurch die unmittelbarste Wirkung. Hatte ein volksthümliches Lied von Haus aus auch eine individuelle Ausdrucksweise, so wurde diese (sie gieng ja durch den Mund von Tausenden) allmählich verwischt; die altbekannten typischen Formeln traten bald an die Stelle der neuen, auffälligen Redewendungen. Die jüngeren Volkslieder richten sich immer nach älteren, beliebten, wirksamen Mustern. So finden wir in all den Tausenden von Volksliedern auf dem ganzen deutschen Gebiete in den gleichen poetischen Situationen immer die gleichen glücklich geprägten Formeln, die gleichen Reimbindungen, Bilder und typischen Wendungen. Die Volkslieder pflanzen sich ja nur auf dem Wege der gedächtnismäßigen, mündlichen Überlieferung fort und so ist es begreiflich, dass die Sänger auch beim Vortrage neuerer Lieder geläufige Verse und ganze Strophen aus altbekannten Liedern herübernehmen. Dieser Zwang der Analogie muss natürlich auf dem beschränkten Raum einer Sprachinsel viel stärker wirken. Hier werden immer die gleichen wenigen Lieder gesungen, die sich daher nacheinander richten und einander immer ähnlicher werden müssen. Kommt nun ab und zu ein neues Lied in das Land (wie es ja bei den Gottscheern der Fall war) so wird es, und mag es noch so originell sein, von der Mehrheit der im Lande bereits ansässigen Lieder beeinflusst; es muss ihren Stil, ihre metrische Form annehmen, sowie ein neuer Ansiedler sich im eigenen Interesse der Selbsterhaltung nach den Sitten und Bräuchen des Landes richten muss. Noch viel consequenter als bei den sieben-bürgisch-sächsischen Liedern ist dieser Zwang bei den Gottscheer Liedern durchgeführt worden. Dies merken wir gleich in der auffälligsten Weise am Eingangsvers. Es gibt im deutschen Volksliede eine Reihe von typischen Eingangsversen, von denen mehrere auch in Gottschee vertreten sind. Mehr als zwei Drittel aller alten Gottscheer Lieder beginnen mit den Versen: "Wie früh ist auf" (nun folgt der Name des Helden und danach): "Er (sie) steht des Morgens gar früh auf". Einen ähnlichen Anfang zeigen eine Reihe deutscher Volkslieder. "Es wollt' (oder sollt') ein Mädchen früh aufstehen." Sie geht früh in den Wald. Dort wird sie von der Haselstaude gewarnt, oder sie verfällt der Verführung, oder sie findet ihren todtwunden Geliebten. Ähnliche Eingänge sind: "Wenn ich des Morgens früh aufsteh" - "Es wollt' ein junger Geselle (Jäger, Bauer, Müller u. s. w.) des Morgens früh aufsteh'n"- "Ich wollt' einmal recht früh aufsteh'n" u. ä. Diese Formeln stehen also vor Liedern verschiedenen Inhalts. In der Regel erscheint es durch die erzählte Handlung begründet, dass der Held früh aufsteht. Auch die Siebenbürger Sachsen haben diesen Eingang oft." Bei den Gottscheern aber stellt er als erstarrte Formel am Eingang fast aller alten Lieder, unbehindert ob er durch den folgenden Inhalt berechtigt erscheint oder nicht. Auch am Eingang der Legenden ("Wie früh ist auf Maria") und allegorischen Gedichte ("Wie früh ist auf der Sonntag" Nr. 34). Sicherlich hat ein einziges Gottscheer Lied alle übrigen zur Nachahmung verlockt. Vermuthlich die Ballade von der schönen Meererin. Sie gehört zu den ältesten Gottscheer Liedern, sie ist noch heute in vielen Fassungen (Nr. 44-50) verbreitet, das beliebteste und häufigst gesungene Lied in der Sprachinsel; hier hat auch der typische Eingang seine sachliche Berechtigung, denn in der Kudrundichtung wird schon berichtet, dass die schöne Wäscherin am frühen Morgen zum Meeresufer geht, um zu waschen. Auch die Ballade von der verkauften Müllerin (Nr. 68) hat schon in einzelnen deutschen Parallelen einen ähnlichen Eingang. Von da gieng er allmählich auf die anderen Lieder über. Auch die weiteren Zeilen nach den erwähnten zwei Eingangsversen sind in vielen Gottscheer Liedern einander gleich. Ist es eine Heldin, so heißt es hernach gewöhnlich, dass sie sich bekreuzigt, wäscht, schön anzieht und dann ins Freie geht. (Nr. 13 f., 25, 5, 28, 32, 6-2, 71 f., 98, 123 u. a.). Auch von Männern wird dies zuweilen berichtet (Nr. 19, 22, 57, 68). Doch gewöhnlich werden Balladen von jungen Männern damit eröffnet, dass der Held früh aufsteht, die Mutter weckt, sich von ihr ein Frühstück und das Mittagessen kochen lässt. Dann weckt er die Knechte, dass sie ihm das Pferd satteln und reitet von dannen (Nr. 64 f., 95, 119, 18, 61 u. a.). Diese, Stellen sind auch im einzelnen fast wörtlich gleich. Die Aufforderung geschieht immer mit dem Worte: Geht, kocht mir, oder sattelt mir. Die Ausführung mit den Worten: Behend geschah es. Dabei ist die Analogiewirkung so stark, dass der Held in Nr. 64, obwohl er verheiratet ist, nicht seine Frau (wie in Nr. 21.), sondern seine Mutter wegen des Frühstücks weckt, und dass in Nr. 94 auch dem Kuckuck die Mutter Frühstück und Mittagessen kocht. Leise Anregung zu dieser weiteren typischen Ausführung des Eingangs mögen vielleicht südslawische Lieder gegeben haben. Ein kroatisches Lied z. B. beginnt damit, dass ein Mädchen am frühen Morgen aufsteht, sich die Haare schön kämmt und dann ins Freie zieht; ein slowenisches andererseits beginnt: St. Ulrich stand früh morgens auf und weckte seine Mutter. Einen ziemlich verwandten Eingang hat auch ein rumänisches Lied. Die wenigen alten Gottscheer Lieder, die in diesem Punkte ihre eigenen Wege gehen, haben auch typische Eingänge, die aus den deutschen Volksliedern bekannt sind. So mit dem unpersönlichen Pronomen: "Es waren zwei Liebe" (Nr. 54). "Es waren zwei Gespielen" (Nr. 115). "Es reitet ein Ritter auf und nieder" (Nr. 70b). "Es zieht eine Mutter ihr Töchterchen auf" (Nr. 69) und viele ähnliche; dann die ebenfalls häufige Wendung: "Dort steht." "Dort steht ein ebener Boden" (Nr. 81). "Dort steht ein zerissener Stall" (Nr. l). "Dort steht eine grüne Linde" (Nr. 55, 121, 15). Nach diesen Eingängen wird nun gewöhnlich auch noch der Beginn der eigentlichen Handlung in typischen Zeilen berichtet. Ist der Held zum Ausgang wohlgerüstet, so heißt es dann: "Er (sie) zieht dahin am Weg breit", oder "Er reitet dahin am Wege breit." Hat er nicht ein bestimmtes Ziel, so besteht das Ereignis in einer Begegnung. Darum folgt dem eben erwähnten Vers in der Regel: "Und ihm (ihr) begegnet der alte Mann (der liebe Gott u. s. w.)" (Nr. 18, 26, 33 f., 41, 68 f., 75 u. v. a.). Der eine von beiden eröffnet das Gespräch: "Also spricht da der (alte Mann)", ein Vers, der fast in allen alten Liedern steht. Da die Begegnung immer am frühen Morgen stattfindet, so ist die Eröffnung des Gespräches häufig ein Morgengruß mit folgendem Zwiegespräch, A: "Guten Morgen, guten Morgen du (alter Mann" u. a.). B: "Schönen Dank, schönen Dank Ihr (Herren u. a.). Ach, guten Morgen hab' ich gar wenig." A: "Wie so, wie so, du ...?" und B gibt den Grund seiner Trauer an. Dieses Gespräch steht auch in den Balladen von der schönen Meererin. Da in der Kudrundichtung schon diese Formel angedeutet ist (vgl. unten die Anmerkungen zu Nr. 44 ff), so stand sie wahrscheinlich zuerst in diesen Balladen und ist von da, wie der Eingangsvers, allmählich auf andere Gottscheer Lieder übergegangen (Nr. 52, 56 f., 61, 68, 34). Ist der Held bei seinem Ziel angelangt, so muss er sich bemerkbar machen. Ist er feindlicher Gesinnung oder bringt er traurige Botschaft, "So klopfet er so greulich an". In anderen Fällen klopft er "schön" oder "freundlich" (Nr. 2 und 2 a, 11, 68 f., 95). Häufig erfolgt darauf die Frage: "Wer ist heute noch so spät davor" (Nr. 11, 68, 95). Haben also viele Lieder einen typischen Eingang, der oft tief in die eigentliche Handlung hineingreift, so gibt es auch typische Schlussformeln. Die häufigsten sind die zwei (noch unten in den Excursen zu besprechenden) Schlüsse: Bei glücklichem Ausgange die Liebesbetheuerung "Du bist mein und ich bin dein", bei unglücklichem Ausgange die Erwähnung der Blumen, die auf die Gräber der Liebenden gepflanzt werden. (1 Die im alten deutschen Volksliede so bekannte Schlusswendung: Wer hat dieses Liedlein gesungen, Ein Reiter oder zwei Hauersknaben u. s. w. fehlt in Gottschee vollständig.) Es hat natürlich nicht jedes Lied alle diese Formeln, doch meistens eine ganze Reihe davon, so dass für den besonderen Inhalt oft nur wenig Raum übrig bleibt. Die meisten alten Lieder sind zum vierten oder dritten Theile aus typischen Versen zusammengesetzt, wodurch sie einander so gleichartig werden. Auch die verhältnismäßig geringe Zahl von Beiwörtern wird typisch verwendet. Das häufigste Beiwort ist schön, das fast vor jedem weiblichen Namen steht. Aber auch Jünglingen wird zuweilen dieses Beiwort verliehen (Nr. 65, 72) statt des sonst üblichen jung. Schön werden ferner Dinge, die man ehren will, zubenannt: die Schule, die Ehre, der Gottesweg, und erfreuliche Dinge: das Frühstück, das Mittagessen, der Jahrmarkt, aber merkwürdigerweise auch die Todesbotschaft (Nr. 59). Sehr häufig ist auch das Beiwort weiß. Weiß sind natürlich immer die Hände, aber auch andere Körpertheile, dann die Leiche, die Kirche, die Mühle, Haus und Schloss, die Wäsche, das Bett, die Frau, der Engel, Städte wie Laibach und Karlstadt. Als Gegensätze stehen nebeneinander: Die weiße Kirche und der grüne Friedhof (Nr. 39, 117). Die weiße Hirse und der rothe Weizen (Nr. 41, 64, 93, 133). Die Steigerung schneeweiß wird beigelegt der Hand, dem Hals, der Wäsche, dem Kleid, der Haube, dem Brief u. a. Merkwürdig ist es, dass gerade die Titelhelden der Lieder so oft als klein bezeichnet werden. Nicht nur Mädchen, Kinder, Vögel, der Schneider (Nr. 60) werden klein genannt, sondern auch der Geiger in Nr. 96, der eigentlich König Matthias ist, und der Kaufmann in Nr. 75, der sich die Sultanstochter erwerben will. Grün sind natürlich der Baum, die Linde (und andere Bäume), der Majoran, der Garten, die Alm, das Gras, der Wald (daneben häufiger finster) u. a. Roth, der Weizen, die Ochsen, der Sand. Der Wein ist roth oder kühl. Kühl sind ferner der Brunnen, Wasser, Wind, Erde, Schatten. Grau sind Wolf und Stein. Schwarz sind die Augen und der Pfarrer. Kohlschwarz die Augen, die Erde, der Mantel, die Amsel. Der Hut, der Berg und das Ross sind immer hoch, das Meer und der Weg immer breit, die Rosen und der Tag licht, der Steig schmal, das Heer groß. Heiß wird geweint, süß oder schön gesungen. Die Messe, die Predigt, das Kreuz sind heilig. Dieses Beiwort wird auch tautologisch den mit Sanct verbundenen Namen vorgesetzt. Dar hailiga schain Martin, dar hailiga" schainte Goria u. a. Bemerkenswert ist die Verwendung von edel. Der Mond scheint edel (Nr. 54), die einzelnen Kleidungsstücke sind edel, d. h. fein, in Nr. 72.2 Besondere Gottscheer Beiwörter sind pisat (bunt, slow. pisan); bunt ist das Schiff (Nr. 49 und 133), die Decke (Nr. 67), das Pferd (Nr. 111); ferner schaiblain (rund); so wird immer der Tisch unter der Linde bezeichnet (-Nr. 15, 55 a, 71, 121). Ein sonst nicht belegtes Wort ist rothsilbern für die Weizenähre (der Halm rothgolden Nr. 8). Zwei mit verschiedenen Beiwörtern versehene Begriffe werden gerne innerhalb eines Verses zueinander in Gegensatz gebracht. Am häufigsten ist der Vers: "Am breiten Weg, am schmalen Steig" (Nr. 6 f., 32, 71, 64 u. a.).Ähnlich "Am breiten Weg, am engen Rain" (Nr. 71), "Auf dem langen Acker, auf dem schmalen Ackerstreif" (Nr. 21, 62), "O du lange Ewigkeit, du kurze Welt" (Nr. 122) und ohne Gegensatz: "Zum breiten Meer, zum tiefen See" (Nr. 44-50). Zweigliedriger Bindungen gibt es genug in den Gottscheer Liedern, doch treten die meisten nur je einmal auf. Öfters finden wir: Zeit und Weile (Nr. 99, 118), Knechte und Mägde (das zugleich Burschen und Mädchen bedeutet Nr. 21, 77, vgl. auch Nr. 121), Himmelreich und Paradies (Nr. 5, 9, 43), immer und ewig (Nr. 68, 96), halsen und küssen (Nr. 63, 95), essen und trinken (Nr. 25, 56, 71), geht und steht (Nr. 28, 77). Eine dreigliedrige Form ist außer der Dreifaltigkeit (z. B. Nr. 9) noch Vater, Mutter und die ganze Freundschaft (Nr. 80, 8l). Mehrere zweigliedrige Bindungen entstehen dadurch, dass die zweite Hälfte eines Verses im nächsten wiederholt und ein verwandter Begriff hinzugefügt wird. Beispiele hiefür finden sich fast in jedem älteren Gottscheer Lied. Also Nr. 63: Sie werden Euch geben ein Gläschen Wein, Ein Gläschen Wein, ein Stückchen Brot. Oder Nr. 21, 95 u. a.: Geht, kochet mir das Frühstück schön, Das Frühstück schön, die Mahlzeit dazu. Nr. 22: Aus mir werden sie machen einen Altartisch, Einen Altartisch, einen Predigtstuhl. Die Wiederholung eines halben Verses wird zuweilen mehrere Zeilen hindurch fortgesetzt, wobei die neu hinzukommende Hälfte gewöhnlich eine Steigerung bedeutet. Z. B. Nr.
103. Diese Form
des Vergleiches ist der südslawischen Volkspoesie besonders eigenthümlich,
sie fehlt aber auch im deutschen Volksliede nicht ganz. |