Vortrag im Widukind Gymnasium, Enger

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John Tschinkel
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Vortrag im Widukind Gymnasium, Enger

Beitrag von John Tschinkel »

Beitrag von John Tschinkel » Sa 20. Jun 2015, 02:10

Prof. John Tschinkel, Vortrag im Foyer der Aula des Widukind-Gymnasium, Enger, 27.03.2000.

Liebe Damen und Herren.

Mein Familienname ist Tschinkel, geboren am 28. Februar, 1931 in Masern, Gottschee-Slowenien, damals Königreich Jugoslawien. Im Wirbel meiner Jugendzeit hieß ich erstmals Johann, manchmals Janez, dann Hans, und endlich in Amerika, John. Dr. Hans Hermann Frensing bat mich an seinem Vortrag "Pulverfaß Balkan" teilzunehmen und ich danke ihm für diese ehrenvolle Aufgabe.

Heute bin ich Zeitzeuge einer Vergangenheit über die Dr. Frensing in seinem Vortrag berichtet. Das Hauptthema in diesem Vortrag ist der immer weiterlebende, ätzende Rassenhaß zwischen den Völkern in dieser unglücklichen Gegend des Balkans. In meinem Fall führte dieser Rassenhaß schließlich zum Verlust der Gottscheer Heimat. All dies beeinflußte mich bereits in meinen jungen Jahren; später mein ganzes Leben lang.

Zu diesem Zwecke, führe ich Sie an die wichtigsten Ereignisse, die den damaligen Jungen steuerten und ihn dazu brachten, eine Mission zu erfüllen. Diese hat als Endziel die Ereignisse der damaligen Zeit in aller Wahrheit zu festigen. Das finde ich äußerst notwendig, da diese Ereignisse von "einigen" Gottscheern, welche die damaligen Zeiten prägten, nur im Sinne von Selbstrechtfertigung benutzt und beschrieben werden.

Die Selbstrechtfertigung kommt von den Überlebenden der damaligen Gottscheer Volksgruppenleitung welche von nationalsozialistischen Mächten erzogen wurden, um die Gottscheer zur Umsiedlung in ethnisch gereinigte Gebiete von Slovwenin zu überzeugen.

Ich bin das Produkt einer Mischehe, also eines Gottscheer Deutschen und einer slowenischen Slawin. Meine Mutter kam mit ihrer außerehelichen, schielenden Tochter, (meine Halbschwester) in ein Gottscheer Dorf, in dem ihr einbeiniger Mann, (mein Vater war Kriegsinvalide aus dem ersten Weltkrieg) mit Schwierigkeiten seinen nicht kleinen Bauernbesitz zusammenhielt.

Das war in den dreißiger Jahren, gerade in einer Zeit in der sich nationalsozialistische Begriffe der Rassentheorie auch in unseren Gebieten formten. Aber ich und die meinen paßten nicht in das Konzept einer "arischen" Familie. Und sobald ich dieses Bewußsein erhielt, wurde es mir sogleich von diesen Seiten grausam klar gemacht.

Schon in den Vorschuljahren wurde ich von anderen Kindern die das Glück hatten "arisch" zu sein verfolgt, verprügelt, beschimpft, usw. Meine Mutter wurde als sogenannter slawischer Untermensch verspottet, mein Vater als körperlich unfähiger ein Krüppel genannt und meine schielende Schwester war das "Ungeheuer" des Dorfes.

Es wurde schlimmer als sich der Nationalsozialismus in Gottschee festigte und die Vorbereitungen zur Umsiedlung auch unser Dorf erreichten. Auch verstärkte sich meine persönliche Verfolgung da ich mich als bester Schüler bewies, der langsam wuchs und sich nicht körperlich wehren konnte. Die Ausschließung aus der nazistisch orientierten Jugendgruppe und die Verfolgung als Mischling, trieb mich zu Büchern die mir eine andere Welt eröffneten, die in dem primitiven Dorfe nicht bekannt war. Mein Lesehunger trieb mich von Haus zu Haus. All dies erhöhte die Verfolgung, aber anderenseits erniedrigte es nicht meine Gier von der Jugendgruppe als Gleichwertiger akzeptiert zu werden.

Nach der Annahme der Staatsbürgerschaft des Dritten Reiches und der Umsiedlung in das ethnisch gereinigte Slowenien im Winter 1941 / 42 war meine Verfolgung als Mischling zu Ende. Ich und meine Familie wurden "eingereiht". Der deutsche Teil meines Wesens war wichtiger als der andere. Das war ein Befehl von oben den auch die an Rassenreinheit verpflichtete Volksgruppenleitung annehmen mußte.

Als 10 Jähriger (1941) wurde ich ein Neudeutscher nach Muster. Aber sorgenvoll verfolgten wir die immer düster werdenden Nachrichten bis Mai 1945 wo unsere Welt als Eingesammelte völlig in sich zusammenbrach.

Wir mußten auf Befehl des Nazi-Gauleiter Siegfried Uiberreither uns dem kommenden Kommunismus entziehen. Am 8. Mai fuhren die Pferdewagenkolonnen entlang der total verstopften Hauptstraße, zusammen mit der nördlich fliehenden Deutschen Wehrmacht, nach Österreich. Es kam zum vollständigen Stillstand. Die Übernahme der Deutschen durch die jugoslawische Armee geschah im Chaos der nächsten Tage.

In dieser Frist begann mein Vater total zu verzweifeln und wollte mich durch Mord und Selbstmord aus dieser scheinbar hoffnungslosen Situation retten. Die Hammerschläge auf meinen Kopf waren nicht erfolgreich, da mich ein Familienfreund rettete. Dann öffnete er sich die Adern, gerade als wir weiter mußten, und verblieb im Straßengraben, scheinbar tot.

Meine verzweifelte Mutter führte den blutenden Sohn in eine naheliegende Scheune mit der Bitte unser Leben zu enden. Der Versuch der zwei eng Zusammenstehenden gelang nicht, da ich die fremde Handgranate nicht zur Explosion brachte. Jemand kam und wir mußten lebend weiter.

Es gab viele Andere, die das Endchaos der letzten vier Jahre und die scheinbar hoffnungslose Zukunft nicht überleben wollten. Im warmen Monat Mai 1945 stank die Luft nach rottenden Körpern. Dabei versuchten meine Schwester und ich unter den Leichen und im klaren Fluß, den Körper unseres Vaters zu entdecken.

Auch seine Tat war nicht erfolgreich; jemand rettete ihn bevor er verblutete. Wir trafen uns nach etlichen Tagen wieder, und zusammen heilten Sohn und Vater in einem Sammlungslager aus dem wir nach zwei Wochen in geschlossenen und vollgestopften Viehwaggons nach Österreich abtransportiert wurden.

Die Rückkehr in unsere Gottscheer Heimat wurde uns von den Befreiern nicht erlaubt. Wir hatten für das Dritte Reich optiert, wurden dessen Staatsbürger, waren der Grund für die Zwangsaussiedlung von 37.000 Slowenen und wurden als Teil des Besatzers ausgestoßen.

Wir wurden Opfer der Nazi Rassenpolitik.

In Österreich fand Vater Arbeit bei Baron von Eybesfeld. Das Schloß hatte eine ausreichende Bibliothek welche für mich die nächsten 2 Jahre Himmel auf Erden war. Die ca. 50 Bände von Karl May reichten nur für die kurzen Monate des ersten Winters.

1947 wurde ich Elektrolehrling und 1950 wanderte ich als 19 Jähriger allein in die USA. Meine Familie folgte mir nach zwei Jahren. Ich erhielt sofort Arbeit und besuchte die Abendschulen.

Anfang 1952 wurde ich in die US Armee eingezogen und damit kam der entscheidende Punkt meines Lebens. Ich kam unter den Schutz des Erziehungsoffiziers. Der besorgte mir eine Intelligenzprüfung und dadurch bekam ich ein Ersatz-Gymnasiumdiplom das mir die Notentlassung aus dem Dienste (ich hatte mich für meine Familie zur Gewährung deren Einwanderung verantwortet) versorgte und mir die Möglichkeit gab, das Studium als Ingenieur an der Polytechnik zu beginnen. Auch die Gelder zum Studium die mir als ehemaligen Soldaten zustanden, kamen von der Regierung. Nach dem Absolvieren traf ich meine zukünftige Frau und begann eine erfolgreiche Karriere in der Computerindustrie, aus welcher ich 1996 als Vize Präsident einer weltbekannten semi-conductor Firma in den Ruhestand ging. Nebenbei war ich auch Universität Dozent, als Experte in meinem Fache tätig.

Die, in aller Welt zerstreuten Gottscheer sammelten sich in einzelnen Gruppen und 1955 erschien wieder die Gottscheer Zeitung, diesmal aus Klagenfurt in Österreich. Meine Eltern lasen sie wegen den Nachrichten der in aller Welt zerstreuten ehemaligen Gottscheern. Ich hatte ursprünglich kein Interesse daran, aber in den 70er Jahren bemerkte ich eine Verschleierung und Umschreibung unserer Geschichte.

Langsam wurde mir klar, die Gottscheer Zeitung und ihre Berichte über die Tatsachen des Verlustes unserer Heimat wurden von der ehemaligen nazistischen Volksgruppenleitung beeinflußt. Der erste Schriftleiter und auch sein Nachfolger waren Mitglieder dieser Leitung und Freund von Wilhelm Lampeter, dem ehemaligen SS-Sturmbannführer und Haupt der Leitung, welche die Gottscheer zur Annahme der Umsiedlungsoption zwang.

Dieses Bewußtsein bekam Gewicht durch Mithilfe der Tatsachen des Verlustes unserer Heimat, sorgfältig dokumentiert in Dr. Frensing's Werk; "Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen." Dr. Frensing beschreibt den Eifer und Zwang der Volksgruppenleitung und wie der Widerstand der sich wehrenden Gottscheer überwunden wurde. Zudem zitiert Dr. Frensing die Behauptung des Referenten der Umsiedlungsabteilung, SS-Obersturmbannführer Dr. Stier über die wichtige Rolle der Leitung unter Lampeter: "Ohne die Volksgruppenleitung, hätte eine geordnete Aussiedlung aus der Gottschee nicht stattfinden können".

Also wurde mir klar, daß die heutige "Gottscheer Arbeitsgemeinschaft" stark von dem ehemaligen SS-Sturmbannführer, seinem damaligen Stabsleiter Richard Lackner und vom Rassenwahn des Dritten Reiches noch nicht Befreiten, beeinflußt wird. Die Geschichte wird verklittert und die Schuld am Verlust unserer Heimat auf andere abgeleitet.

Lampeter, der in der ehemaligen DDR wohnte, tauchte nach Fall der Mauer wieder auf und wurde, wie Lackner, Ehrenmitglied und Kulturreferent in der Arbeitsgemeinschaft aller Gottscheer in der Diaspora. Im November 1994 besuchte ich den Herrn in Leipzig. Im Gespräch mit ihm erklärte er, was er unter dem Begriff Wahrheit versteht. Also: "Wahrheit ist Formulierung gewisser Tatsachen." Er teilte mir auch mit, er hasse heute noch die Slowenen.

Der Rassenhaß auf die Slowenen lebt also weiter, wird öffentlich und es gibt wieder Reibereien zwischen der Gottscheer Leitung und den Slowenen. Von Versöhnung ist keine Rede. Die Arbeitsgemeinschaft in Klagenfurt stellt Forderungen an Slowenien (mit kräftiger Unterstützung von J. Haider) die der neue Slovenische Staat nicht akzeptieren kann oder will. Die Opfer sind die von Klagenfurt beeinflußten Gottscheer Slowenen, die damals nicht umsiedeln wollten und die in aller Welt Zerstreuten. Sie wurden von der damaligen Leitung betrogen die weder damals noch heute keinen Widerspruch duldete.

Also, der damals eingeprägte Rassenhaß wirkt weiter. Um dem entgegenzukommen, machte ich es mir zur Aufgabe das Werk von Dr. Frensing, (dessen Veröffentlichung die VGL nicht verhindern konnte), welches die richtigen Tatsachen des Endes unserer ethnischen Gruppe schildert, ins Englische zu übersetzen.

Nebenbei schreibe ich meine Memoiren die das Wissenschaftliche von Frensing mit persönlichen Erfahrungen ergänzt.

Dies schulde ich meinem Vater, meiner Mutter und den Nachkommen aller ehemaligen Gottscheer die dem traurigen Ende unsere Gruppe mit Ehre gegenüber stehen wollen.

John Tschinkel
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