Offener Brief an Ludwig Kren

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John Tschinkel
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Offener Brief an Ludwig Kren

Beitrag von John Tschinkel »

Beitrag von John Tschinkel » Do 31. Jul 2014, 13:57

7. Mai, 2014

Lieber Ludwig Kren,

Wiederum erinnert uns die Gottscheer Zeitung (Dezember 2013) an Ihren 93sten Geburtstag und wünscht Ihnen vor allem Gesundheit und weiterhin Schaffenskraft, auch zum Wohle der Gottscher Gemeinschaft. Auch ich möchte mich an diese Wünsche anschließen, mit Hoffnung Sie erleben noch viele Jahre in bester Gesundheit und Zufriedenheit.

Und ferner schreibt die Zeitung: „ Diesen Jubilar kennen alle: Bis zum Jahre 1996 war Ludwig Kren für 25 Jahre Schriftleiter der „Gottscheer Zeitung“, die er heute noch regelmäßig mit Beiträgen – auch in Gottscheer Mundart – versorgt. Es hat ihm nicht genügt, diese Beiträge und viele andere mehr zu schreiben, es war ihm zu wenig, die für ihn so wichtige Gottscheer Sprache in Gedichten festzuhalten, nein: in den letzten drei Jahren ist er unter die Buchautoren gegangen und hat mittlerweile heuer im Sommer sein drittes Werk aufgelegt. Nach dem „Lesebuch“ und „Und dann war alles anders“ ist jetzt bereits die zweite Auflage seiner „Erinnerungen – Gottschee 1339–1941“ erschienen“.

Öfters las ich den Aufruf von Herber Krauland, Vorsitzender der Gottscheer Arbeitsgemeinschaft, „Wir müssen unsere Geschichte selber schreiben“. Diesen Satz wiederholten Sie als Schriftleiter regelmassig in ihrer Gottschee Zeitung. Mit dem „Wir“ meinte Krauland sicher seine gleichgesinnte Kollegen und Freunde um unsere Geschichte mit deren Perspektiven darzustellen. Sicher meinte er nicht die anderen „Wir“ welche sich mühen unsere Geschichte und den Verlust unserer Heimat im richtigen Lichte darzustellen und die Selbstrechtfertigung deren welche den Verlust ermöglichten, zu negieren und zu entlarven.

Und jetzt, nach so vielen Jahren, kam endlich ihr Entschluss diesen Appell zu folgen. Als intimer Freund und einstiger Mitarbeiter der „Ermöglicher“ ist es aber nicht schwer sich vorzustellen welche Geschichte Sie in ihre Bücher einbauen und ich glaube kaum Sie habe sich endlich von den tief eingewurzelten Perspektiven ihrer Vergangenheit befreit.

Zu dem schreibt mir (1998) Dr. Horst Fassel, damals Vorstand der Sudostdeutschen Historischen Kommission in Tübingen, u. A. „ Es ist wie es in den meisten Landsmannschaften nach 1949 in der Bundesrepublik Deutschland geschah; man hat die alten Positionen aufrecht erhalten. So lange die Generation der Handlungsträger vor 1945 noch am Leben waren. …“

Das Dezember 2013 Jubilar beschreibt, in Kürze, Ihren Lebenslauf. Wie gewöhnlich mit jeden der damaligen Volksgruppenleitung, (weiter VGL), sind auch bei Ihnen die Taten an der Aussiedlung überblickt, also mit dem Mantel des Schweigens überdeckt. Aber welche Rolle Sie in diesen „alten Positionen“ spielten ist reichlich in den 1941er Ausgaben der Gottscheer Zeitung zu finden.

Schon vor der Umsiedlung wirkten Sie als Mitarbeiter an der Zeitung unter Herbert Erker, Schriftleiter der damaligen Gottscheer Zeitung und Mitglied der VGL, verantwortlich für die Verbreitung der Propaganda und dem Drang zur Umsiedlung. Dessen Rolle wurde in der neuen GZ in Klagenfurt (1962) wiederhergestellt und in 1970 wurde dieser Betrüger sogar zum „Ehrenmitglied“ erhoben. Und in 1971 wurden Sie dessen Nachfolger für 25 Jahre. Also, „man hat die alten Positionen aufrecht erhalten“. (Auch Sie wurden „Ehrenmitglied” 1979).

Das Jubilar berichtet ferner über Ludwig Kren: „Es hat ihm nicht genügt, diese Beiträge und viele andere mehr zu schreiben“.

Selbstverständlich nicht angerührt werden ihre Mühen die Schuld der „alten Positionen“ für die Zerstörung unseres Volkes zu verhüllen, deren Rolle als Betrüger zu negieren und unsere traurige Geschichte mit Selbstrechtfertigung zu festigen. Und damit wurde unser Volk zum zweiten Mal betrogen.

Ihre Mühen wurden für viele Jahre willig als Tatsache von den Gläubigen angenommen. Und die Mehrheit der Leser der Zeitung fand in diesen Mühen eine tröstende Beruhigung welche ihnen die schwere Last, sie wurden von den „alten Positionen“ so bereitwillig betrogen, abnahm.

Jetzt und endlich kommen diese Mühen in Misskredit als der Schleier, welcher die Taten verhüllte, wegfällt. Auch die Gottscheer Zeitung (Mai 2011) verhilft damit; die Tatsachen welche jetzt enthüllt werden kann auch Diese nicht mehr abstreiten. Sie schreibt:

„Es erging lediglich der Aufruf ‚Heim ins Reich‘. Eine falsche und irreführende Forderung. So hat die Gottscheer Bevölkerung nicht gewusst, wohin die Umsiedlung gehen sollte. Dazu kam der Druck der italienischen Besatzungsmacht, die propagierte, dass die Nicht-Umsiedler nach Sizilien oder sogar nach Abessinien (Äthiopien) verbracht würden“.

Tatsache ist der Druck kam nicht von den Italienern sondern von der VGL durch die Gottscheer Zeitung unter Erker dem Sie dienten. Ferner, die Zeitung schreibt:

„Unter diesem Druck [der VGL] war es kein Wunder, das sich die Mehrheit der Gottscheer zur Umsiedlung entschloss, um wenigstens ihr Volkstum, Ihre Sitten und Gebräuche sowie ihren Glauben zu erhalten. Dass die Umsiedler dann nicht ins ‚Reich‘ kamen, sondern in die besetzten Gebiete in der Untersteiermark, in das Gebiet von Rann/Brežice und Gurkfeld/Krško, war eine böse Überraschung. Wir kamen in ein Gebiet aus den die slowenischen Bewohner zwangsweise ausgesiedelt wurden.

„Hatte die Gottscheer Bevölkerung gewusst, dass ihre ‚neue‘ Heimat in der Untersteiermark war, wären sie sicher daheim geblieben und hätten den Aufruf zur Umsiedlung nicht befolgt. Nach dem Krieg wurden einige die mit der Umsiedlung beauftragt waren [‚die alten Positionen‘] gefragt, warum der Bevölkerung der Ansiedlungsort nicht mitgeteilt wurde. Ihre Antwort: dann wären die Gottscheer nicht umgesiedelt! Es mag nicht bestritten sein, das damals einige Gottscheer [die alten Positionen] die wahren Vorgänge kannten, sie aber den Landsleuten verschwiegen. Traurig dass sie es ihnen nicht mitgeteilt haben.

„Rückblickend muss aber trotzdem gesagt werden, dass durch die Umsiedlung das Gottscheer Völklein sein Volkstum mit seinen Sitten und Gebräuchen sowie den Glauben erhalten konnte“. [Hans-Hermann Frensing, ‚Die Umsiedlung der Gottscheer‘, 1970]. „Heute leben unsere Landsleute in der ganzen Welt. Sie sind Gottscheer geblieben und wollen es weiter sein. Sie lassen sich nichts Unrechtes andichten. Wir haben uns verpflichtet gefühlt, diesen traurigen Teil unserer Geschichte aufzuzeigen, obwohl schon seither 70 Jahre vergangen sind“. Also endlich etwas der Wahrheit näher!!

Eine Reaktion zum obigen kam von Frau Gitte Hübner, Tochter von Josef Dornig, bis 1941 Fotograf in Gottschee. Ihr Brief wurde in der Juni 2011 Ausgabe der Zeitung veröffentlicht. Sie schreibt:

„Der Artikel ‚Unsere Meinung’ in der Mai-Ausgabe, Seite 2, hat mich sehr berührt. Davon ist mir vieles bekannt, aber so genau wußte ich es bisher nicht. Ich erinnere mich an Aussagen meiner Eltern. In wenigen Sätzen wurde wichtiges gesagt was viele – besonders die jüngere Generation – nicht wissen. Ich werde z.B. diesen Artikel meiner Familie zum Lesen weitergeben.

„Meine Eltern wussten übrigens nicht, wohin wir kommen. Sie vermittelten mir diesbezüglich nur ein sehr ungutes Gefühl, weil ihnen nur eines bekannt war, das wir ins Ungewisse umsiedeln. Diese Stimmung war in der ganzen Stadt verbreitet. Nur einige die die Reden hielten, um uns Mut zu geben, wussten wahrscheinlich Bescheid“.

Also, Frau Hübner ist eine von Vielen welche jetzt und nach so vielen Jahren entdecken, die Gottscheer wurden von ihrer damaligen Leitung betrogen!!

Die oben zitierte Meinung von Frensing in 1970 war Vorschau und wurde nicht Tatsache. Aber sie wird, auch noch heutzutage, eifrig zur Selbstrechtfertigung benutzt.
Tatsache ist, durch die Umsiedlung wurde das „Volkstum mit seinen Sitten und Gebräuchen“ zerstört. Das Folgende zeigt:

1. Außer einer Handvoll der Umsiedler (alle mit einem Fuß im Graben) kennt niemand mehr unseren Dialekt, das einzige Kennzeichen der Gottscheer als ethnische Gruppe. Es ist aber Tatsache, die dortgebliebene Handvoll, welche Sie einst als „Odpadniki“, bezeichneten (s. Zvonovi so umolknili, Seite 289), spricht heute noch täglich unseren Dialekt. Und mit dem Absterben dieser Beiden ist das endgültige Ende der Gottscheer als ethnische Gruppe besiegelt.

2. Und nur eine Handvoll der, heute in Amerika lebende Umsiedler und nur einzelne deren Nachkommen, wie auch wenige der Leiter der USA Landsmannschaften besitzen, heutzutage, die deutsche Sprache. Nur diese Handvoll liest, meist aus sentimentalen Gründen, die immer dünner und einschrumpfende Zeitung, deren Inhalt überfüllt mit Klischees, sentimentalen Berichten, und Todesanzeigen. Und die Mehrheit der Nachkommen hat, berechtigt, wenig Stolz an unserer Geschichte.

3. „Sitten und Gebräuche“. Diese waren keine Eigenart der Gottscheer. Fast alle gleichen Die der breiten Umgebung der Sprachinsel. Und die Nachkommen unserer Generation welche, heutzutage, eifrig Slowenien besuchen, sind begeistert mit deren Sitten und Gebräuchen, so ähnlich Die deren Eltern; Kreinerwurst, Strudel, Pobolitzn, Kropfen, Blutwurst, Dà Màrarin, (s. France Marolt, Kočevski Zbornik, S 185), andere Lieder, usw, usw.

4. Und am Glauben. Frensing zitiert die Meinung der damaligen VGL, ( ‚Die Umsiedlung …‘, Seite 86): „‘Der „Katholizismus‘ wird im inneren Führungskreis als ‚universalistische Weltanschauung behandelt‘, die ausgerottet werden muss“. Als intimer von Lampeter, Lackner, Erker und anderen der VGL war Ihnen diese Formulierung sicher nicht unbekannt. Waren Sie damals auch deren Meinung dann könnte man Sie heute ruhig als Mithelfer an diesem Ausrottungsversuch bezeichnen.

Noch keiner der damaligen VGL und deren Mitarbeitern, fand bisher die Ehre sich für die Vernichtung des Gottscheer Volkes zu entschuldigten. Auch Sie nicht. Eingeständnis ist doch ein Akt des „Katholizismus“. Aber nicht für Diese deren Ziel es war den Glauben „auszurotten“. Es scheint noch keiner hat sich von der vernichtenden Ideologie des damaligen Gottscheer Zeitgeistes befreit.

Aber zurück zu Ihren, nur durch Eigenverlag erzeugten, Büchern. Für wen und warum schreiben sie jetzt so eifrig in Ihren neunziger Jahren und was wollen Sie damit erreichen? Und wer sind die Leser?
Seriöse Historiker sicher nur falls Sie über den Ablauf der damaligen Ereignisse tatsächlich berichten würden. Mit dem verteidigen und verhüllen, ausgeübt von den „alten Positionen“ sind Historiker schon längst bekannt. Oder sind ihre Eifer nur ein Versuch die Perspektive der „alten Positionen“ zu festigen.

Etliche dieser Fragen sind so offenbar ich kann sie selbst beantworten.

Ihre Schreiberei wird doch nur die jetzt absterbende, Deutsch sprechende Handvoll ihrer Generation erreichen. Die nicht Deutsch sprechende Mehrheit liest doch kein Deutsch.
Und überhaupt nicht lesen wird es die neue Generation, also die Nachkommen deren welche versuchten (und noch immer versuchen) die leichtsinnige Annahme der Umsiedlungsoption zu verhüllen. Oder sich schämten den Nachkommen zu erklären sie wurden von ihrer damaligen Leitung betrogen. Diese neue Generation hat daher wenig Interesse an Perspektiven von einem welcher die „alten Positionen“ für Jahrzehnte aufrecht zu erhalten versuchte. Besonders jetzt als die unwiderlegbaren Ursachen und Tatsachen das Tagelicht erreichen.

Diese Nachkommen aber haben ein großes Interesse an einer unparteiisch dargestellten Gottscheer Geschichte und an den Tatsachen der Umsiedlung welche ihnen für so viele Jahre so sorgfältig verweigert wurden. Überhaupt da diesen jetzt durch neue Bücher und das Internet die Tatsachen so reichlich zu Verfügung stehen. Sehe u. A. die Dissertation von Dr. Georg Marschnig an der Universität Wien unter dem Titel „ Gottschee Global, Geschichtsnarrative und Identitätsmanagement im Cyberspace“.

Also, Ludwig Kren, für Sie, als Letzter der „Ermöglicher“ und deren Rechtfertiger, ist es noch nicht zu spät sich einer Katharsis zu unterwerfen und dadurch ihre Mitschuld eingestehen. Man wird Ihnen für einen so mutigen Schritt danken und Ihnen ihren jugendlichen Fehler, wie auch die folgenden Versuche die Tatsachen zu verhüllen, verzeihen. Als begeisterter, ein von der falschen Ideologie des Zeitgeistes überwältigter Jüngling, hatten Sie doch wenig Begriff an der Größe der sich entwickelnden Tragödie in der Sie so eifrig mitwirkten. Aber heute, und nach so vielen Jahren, sollte es Ihnen doch möglich sein diesen damaligen Begriff im wahren Lichte zu betrachten und den Mut zu fassen Ihren jugendlichen Eifer an der Zerstörung unseres Volkes eingestehen. Und den Eifer bereuen und sich bei den Opfern entschuldigen. Das schulden Sie ihrem Volke. Wie gesagt, Eingeständnis ist ein Christlicher Akt - - - mit Verzeihung belohnt.

John Tschinkel, VB, 24/07/2014
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