„Gottscheer: Eine Geschichte, viele Identitäten“. - ORF.at

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„Gottscheer: Eine Geschichte, viele Identitäten“. - ORF.at

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Abgeschickt von science.ORF.at am 12 November, 2009 um 15:33:22:

Auszüge aus: „Gottscheer: Eine Geschichte, viele Identitäten“.


Die Gottschee ist ein Gebiet rund 60 Kilometer südöstlich von Ljubljana. Die Gottscheer leben hier seit dem Mittelalter, heute zählen sie zu den kleinsten deutschsprachigen Minderheiten. Welche Identitäten diese lange Geschichte - inklusive massiver Verstrickungen in den Nationalsozialismus - hervorgebracht hat, hat ein Wiener Historiker untersucht.

Sein Resümee: Trotz gegenteiliger Versuche der offiziellen Landsmannschaften gibt es nicht die eine, gemeinsame Identität. Die unterschiedlichen Erfahrungen von Migration, Vertreibung und Nazizeit finden auf konkurrierenden Webseiten ihren Ausdruck, die Georg Marschnig analysiert hat.

Internet bringt Deutungshoheit ins Wanken.

Die offizielle Version vom Leid der Vertreibung wird laut Marschnig von der "Gottscheer Zeitung" hochgehalten. Wie bei anderen Themen auch hat das Internet dieses Monopol ins Wanken gebracht. "Im Web können heute die verschiedenen Geschichten erzählt werden. Nun zeigt sich auch öffentlich, daß man nicht von nur einer Identität - die ja auf geteilten Erzählungen basiert - ausgehen kann."

Den distanziertesten Blick auf die eigene Geschichte weisen laut Marschnig Gottscheer Webseiten aus Nordamerika auf wie Gottscheer Heritage and Genealogy Association, New York Gottschee und der Gottscheer Club of Cleveland. "Sie versuchen, eine Vogelperspektive einzunehmen, und erzählen sowohl die Geschichten der Vertreibung als auch von der Mitgliedschaft bei den Partisanen, die es auch gegeben hat. In erster Linie werden aber die Erfahrungen in der neuen Heimat geschildert. Zumeist geht es in den Foren auch um Genealogie, also die Frage, wo die Familien herkommen."

Gottscheer-Sein in Amerika verstehe sich dabei als Teil einer größeren europäischen Einwandererkultur und sei Ausdruck eines vorherrschenden "Schmelztiegel-Denkens".

Kampf um die Erinnerung.

Georg Marschnig hat in dem Buch "Kulturen der Differenz - Transformationsprozesse in Zentraleuropa nach 1989" den Beitrag "Gottschee global. Kollektive Identitätskonstruktionen im weltweiten Netz" geschrieben.

Ganz anders verhält es sich mit den deutschsprachigen Gottscheer-Webseiten, auf denen eher ein "Kampf um die Erinnerung " ausgetragen wird. Die offizielle Seite der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften erzählt eine Opfergeschichte, der zufolge "die Gottscheer keine andere Wahl hatten, als unter Zwang ihr geliebtes Heimatland zu verlassen".

Währenddessen werden auf Gottschee.de auch "Erinnerungen publik gemacht, die sich diametral gegen diese 'offizielle' Erzählung wenden", wie Marschnig in einem Buchbeitrag schreibt. Konkret werden hier auch die massiven Verstrickungen in den Nationalsozialismus erwähnt.

In den Foren dieser Website wird über die Versionen der Geschichte gestritten. "Es geht hin und her, der Kampf um die Erinnerung ist noch nicht beendet. Und das wird sich auch so bald nicht ändern", ist Marschnig überzeugt.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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